Rheinpfalz Anschub für Gesundheitskarte

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MAINZ. „Ich fasse noch einmal zusammen. Erstens: Die Gesundheitskarte ist kein Flop. Zweitens: Immer mehr Kommunen interessieren sich dafür. Drittens: Die Landesregierung übt weder Druck aus noch subventioniert sie das Angebot.“ Die Schlusssätze im Bericht von Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) in der jüngsten Sitzung des Gesundheitsausschusses des Landtages klangen nach Verteidigung. Die Gesundheitskarte für Flüchtlinge war eines der letzten Projekte der rot-grünen Koalition, die bis Mai 2016 regierte, bevor sie von dem rot-gelb-grünen Bündnis abgelöst wurde. Die Karte soll Flüchtlingen den Umweg über das Sozialamt ersparen, wenn sie zum Arzt wollen. Es soll nicht die Entscheidung von Sachbearbeitern sein, ob jemand akut krank ist oder nicht. Das war und ist ein Herzensanliegen der Grünen. Die SPD-Ministerin hat die Gesundheitskarte mit den Krankenkassen verhandelt, doch gut ein Jahr lang blieb sie ein Ladenhüter. Der Verweis, dass vier andere Bundesländer, darunter Hamburg und Berlin eine solche Regelung haben, nutzte nichts. Jetzt allmählich kommt Bewegung in die Sache: Zum 1. Januar wurde die Karte von der Stadt Trier eingeführt, der Mainzer Stadtrat hat die Verwaltung beauftragt, erneut die zusätzlichen Kosten und die Ersparnisse zu berechnen, und im Kreis Kusel prüft die Verwaltung ebenfalls, bevor sich der Kreistag in den nächsten Monaten damit befassen wird. „Wir stehen in Kontakt mit dem Gesundheitsministerium“, sagte die Sprecherin der Kreisverwaltung Kusel, Karla Hagner. Was viele Kommunen bisher von der Umstellung abhält, sind die Verwaltungskosten, die an die jeweilige Krankenkasse abzuführen sind: Acht Prozent des Arzthonorars, mindestens jedoch zehn Euro für jeden Versicherten pro Quartal. Dafür würde die jeweilige Krankenkasse die Arztrechnungen prüfen, was bisher die Kommunen machen. Auch die Ausgabe der Behandlungsscheine fiele weg. Die Arztrechnungen bezahlen die Kommunen nach wie vor. In sogenannten Hochkostenfällen, das sind Krankenhausaufenthalte ab 7500 Euro und bei dauerhaften Erkrankungen jährliche Kosten in Höhe von 35.000 Euro, übernimmt das Land 85 Prozent. An den ärztlichen Leistungen, die penibel genau im Asylbewerberleistungsgesetz geregelt sind, ändert sich mit der Gesundheitskarte nichts. Die Betroffenen erhalten nur eine Akut-Versorgung, das ist deutlich weniger, als gesetzlich Krankenversicherten zusteht. Diese Gesundheitskarte gilt ab dem Moment, in dem Flüchtlinge von der Erstaufnahmeeinrichtung, in der das Land die ärztliche Versorgung regelt, in die Kommune kommen, bis zu dem Zeitpunkt, an dem das Job-Center für sie zuständig wird. Das ist der Fall, wenn ein Asylbewerber anerkannt ist oder mindestens 15 Monate in Deutschland lebt. Wer anerkannt ist, wechselt laut Sozialministerium in die gesetzliche Krankenkasse. Im anderen Fall erhalten die Menschen eine Gesundheitskarte über das Job-Center. Dafür erheben die Kassen eine Verwaltungsgebühr in Höhe von fünf Prozent. Die Gesamtkosten dürften dennoch höher liegen, denn diesen Personen steht laut Ministerium dann „ein voller Anspruch auf Krankenhilfe“ zu. Noch im August 2016 sagte der Mainzer Sozialdezernent Kurt Merkator (SPD): „Die Gesundheitskarte ist eine gute Sache, aber sie ist so schlecht verhandelt, dass die Stadt Mainz sie nicht einführen kann und darf.“ Mehrkosten in Höhe von 85.000 Euro hat sein Dezernat damals errechnet. Nach dem Stadtratsbeschluss vom November ist die Verwaltung erneut am Rechnen. In Mainz regiert – wie auf Landesebene - ein Bündnis aus SPD, Grünen und FDP. Nach den Worten des Pressesprechers der Stadt, Marc-André Glöckner, bietet die aktuelle Regelung Flüchtlingen eine ähnliche Leistung wie die Gesundheitskarte. Die Stadt gibt den Flüchtlingen bei der Aufnahme eine Art Krankenscheinheft aus. Der Weg zum Arzt führt also nicht über das Sozialamt. Im Stadtratsbeschluss steht im Widerspruch dazu, die Mitarbeiter der Sozialverwaltung würden über die Ausgabe von Papierkrankenscheinen entscheiden. In Kusel ist zwar auch bekannt, dass in anderen Kommunen Blanko-Krankenscheine ausgegeben werden, aber der Kreis geht bislang den anderen Weg. Die betroffenen 427 Flüchtlinge erhalten ihren Krankenschein an einem Service-Punkt. Bevor die Stadt Trier die Karte eingeführt hat, besserte das Land in einem Punkt nach: Bei den sogenannten Hochkostenfällen übernimmt das Land nun auch die Verwaltungskosten zu 85 Prozent. Ein „Kardinalfehler“ sei, dass bei der Vereinbarung mit den Krankenkassen jene Dritten nicht dabei gewesen seien, die nun die Kosten zu tragen hätten, kritisierte die CDU-Abgeordnete Hedi Thelen im Ausschuss. Ministerin Bätzing-Lichtenthäler wies den Vorwurf als „falsche Behauptung“ zurück. Bereits beim Start der Verhandlungen im Jahr 2015 seien die Kommunen mit ins Boot genommen worden. Der Landkreis Mainz-Bingen, Kaiserslautern, Pirmasens, Zweibrücken und Trier hätten davon Gebrauch gemacht, sagte Bätzing-Lichtenthäler. Der Sozialdezernent der Stadt Pirmasens, Peter Scheidel (CDU), sagt dazu, die Stadt habe darauf hingewiesen, dass sie die Verwaltungskosten in Höhe von acht Prozent für nicht angemessen halte. Dies würde für Pirmasens höhere Kosten bedeuten. Außerdem funktioniere die Versorgung der aktuell 393 Flüchtlinge mit Krankenscheinen in der Stadt „absolut unproblematisch“. KOMMENTAR

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