Rheinpfalz Abflug in die Vergangenheit

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„Hoch hinaus – die Pfalz!“ Das ist in diesem Jahr das Thema des großen Fotowettbewerbs für Leserinnen und Leser der RHEINPFALZ. Die schönsten Aufnahmen erscheinen im RHEINPFALZ-Fotokalender 2017. Die zwölf Siegerbilder werden zudem mit Geldpreisen belohnt. Unsere Begleitserie zum Fotowettbewerb zeigt Beispiele, wie und wo es in der Pfalz hoch hinaus geht, welche Hochgefühle und Höhepunkte es gibt. Heute: Die Spurensucher der Luftbildarchäologie, die die RHEINPFALZ im zurückliegenden Sommer einmal bei einem Flug über die Vorderpfalz begleiten durfte.

Manchmal muss man hoch hinaus, um zu sehen, was in der Erde schlummert. Das Team „Archäoflug“ schwingt sich regelmäßig in die Lüfte und nimmt Getreidefelder ins Visier. Die Halme verraten, ob unter ihnen Überreste alter Kulturen schlummern. Mit Gemüse und Wein können die ehrenamtlichen Mitarbeiter der Speyerer Außenstelle der Landesarchäologie allerdings nichts anfangen. Die Luftbildarchäologen liefern die Daten, die für die Denkmalschützer und Wissenschaftler wertvoll sind. Vom Flugplatz Bad Dürkheim startet das Ultraleichtflugzeug. Es ist im Prinzip ein Drachenflieger mit Motor und Sitzen. Vertrauen ist gefragt: Nur Gurte verhindern, dass Pilot und Fluggast bei bis zu 500 Metern Höhe aus den Sitzen plumpsen. Ingesamt eine wacklige Angelegenheit, bei der einem stets eine steife Brise um die Nase weht. Pilot bei diesem Flug ist Michael Voselek aus Wilgartswiesen. Mit Ulrich Kiesow aus Kaiserslautern und Roland Seidel aus Neustadt bildet er das Team „Archäoflug“. Die drei Berufsschullehrer haben sich an einer Bad Dürkheimer Schule kennengelernt und die gemeinsame Leidenschaft entdeckt. Seit knapp 15 Jahren sind sie im Auftrag der Landesarchäologie ehrenamtlich über dem Boden unterwegs und liefern Luftaufnahmen. Während Voselek und Kiesow fliegen, übernimmt Seidel Dienst am Boden, wertet Fotos aus, erarbeitet bildliche Rekonstruktionen. Wir starten abends – aus gutem Grund: Dann macht die Sonne lange Schatten und arbeitet Kontraste heraus. So zeigt sich am besten, welche Halme länger, welche kürzer sind. Stoßen ihre Wurzeln nämlich auf alte Fundamente, bleiben sie niedriger und reifen schneller. Andersherum überragen Halme ihre Nachbarn, wenn sie auf ehemalige Gräben treffen. Die Mulden sind zwar mit Mutterboden verfüllt, aber speichern mehr Wasser als die Erde drum herum. Wie viel die Ähren zeigen, hängt auch stark von der Witterung während des Wachstums ab. „Gut ist, wenn`s im Frühjahr lange trocken ist“, erklärt Kiesow. Je tiefer die Pflanzen wurzeln, desto mehr wird später von oben sichtbar. Freilich reagieren alle Pflanzen ähnlich, aber nur die Halme stehen schön eng und „zeichnen“ Bilder ins Feld. Schade, findet das Team, dass Getreide vor allem in nördlichen Pfalz angebaut wird und nicht entlang der Haardt, obwohl der Landstrich voll von römischen Fundamenten ist. Die Westpfalz ist für die Luftbildarchäologen weniger interessant: Dort schlummert selten Interessantes aus früheren Zeiten im Boden, außerdem gibt`s wenig Getreidefelder. Für die Archäoflieger ist das offene Fluggerät perfekt. „Es ist schön langsam, da kann man die besten Bilder machen“, erklärt Voselek. Langsam sind 75 Stundenkilometer. Und weil das kleine Flugzeug so wendig ist, lassen sich locker und leicht viele Kreise um einen Acker ziehen. Oft kommt es auf den richtigen Blickwinkel an, wie bei einem Acker bei Frankenthal, der von allem etwas im Angebot hat: „Sehen Sie die Kreise?“, fragt Voselek und zeigt nach unten. „Das sind Bombeneinschläge.“ Sie haben immer einen bestimmten Durchmesser. In fast jedem Feld ist eine Struktur zu sehen – nicht immer sind es Überbleibsel von Bandkeramikern oder Römern. Aber was Natur und was Kultur geschaffen hat, können die drei Männer genau unterscheiden. „Menschen machen immer gerade, eckige oder runde Sachen“, erklären Kiesow und Voselek vor dem Flug, „die Natur macht, was sie will.“ Stimmt. Die Schwemmlinien, die der Rhein einst geschaffen hat, sehen nicht handgemacht aus. Dagegen schon eher der große hellgrüne Kreis, der Voselek zum Jubeln bringt: „Den haben wir noch nicht gesehen“, sagt er und zieht noch eine Runde ums Feld, um noch mehr Fotos zu machen. Später auf dem Boden freut sich auch Kiesow über die Neuentdeckung. So etwas ist selten, stimmen beide überein und rätseln. Es könnte ein Grabhügel sein, der noch nicht vollständig abgetragen ist. Auf dem Rundflug von Bad Dürkheim in Richtung Frankenthal und zurück gibt`s eine ganze Menge Attraktionen: verschiedene Kreisgräben, Überreste eines mittelalterlichen Pesthofs, ein allein stehendes rechteckiges Gebäude sowie eine römische Villa mit allem Pipapo. Sogar die einzelnen Räume samt Apsis sind zu sehen. Das Team „Archäoflug“ will nicht mit Schatzsuchern verwechselt werden, die mit Metalldetektoren durch Wald und Wiese streifen. Dem Trio geht es ums Entdecken, um immer tiefer in die Geschichte der Pfalz einzutauchen und dem Landesamt die wichtigen Infos zu verschaffen. Durch die Strukturen und deren Lage können die Wissenschaftler die Überreste oftmals datieren, ohne sie auszugraben zu müssen. „Wir können nur die Denkmäler schützen, von denen wir wissen, wo sie sind“, betont Ulrich Himmelmann, Chef der Außenstelle Speyer der Landesarchäologie. „Luftbilder sind da unverzichtbar.“ Wird ein Acker mit historischem Innenleben als Baugebiet ausgewiesen, können sich die Archäologen rechtzeitig einklinken. Sie beraten Gemeinden und Investoren, weil sie das Bodendenkmal vor der Zerstörung bewahren wollen. Lassen sich die Planer nicht erweichen, versuchen die Archäologen bei Ausgrabungen zu retten, was zu retten ist. Info —Die Landesarchäologie zeigt derzeit im Archäologischen Schaufenster in Speyer (Gilgenstraße 13) die Ausstellung „Vogelperspektive – Luftbildarchäologie in der Pfalz“, mit Aufnahmen des Teams „Archäoflug“. Geöffnet: Dienstag bis Sonntag, 11 bis 17 Uhr (bis Mai 2016). —Das Team „Archäoflug“ hält am 15. Oktober, 19.30 Uhr, im Archäologischen Schaufenster einen Vortrag über „Luftbildarchäologie in der Pfalz und Rekonstruktionen aus Luftbildern“. —Mehr Infos unter archaeoflug.de und www.archaeologie-speyer.de.

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