Rheinpfalz Kunst statt Kippen im Automat

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In Annweilers Stadtteil Queichhambach gibt es etwas, was es sonst wohl nirgendwo gibt. Dort steht der „erste Literamat der Pfalz“. Zusammen mit einem öffentlichen Bücherschrank und einer bunten, ebenfalls mit Büchern bestückten Telefonzelle ist er Teil des Platzes der Literatur am Ortsausgang.

Der Literamat ist ein umfunktionierter Zigarettenautomat, der künstlerisch gestaltete Zigarettenschachteln – Literetten – ausspuckt. Sie sind mit Literatur von Pfälzer Autoren gefüllt und können nach dem Einwerfen von drei Euro gezogen werden. Die Idee dazu hatte Helmut Seebach, Autor und Verleger volkskundlicher Schriften. Er besorgte auch den Automaten. Ein neues Aussehen hat dieser von der Frankenthaler Design-Künstlerin Gertraud Ungerer bekommen. Auf ihm sind Berge, Natur und natürlich die Burg Trifels zu sehen. „Ich habe versucht, mich an der Umgebung zu orientieren“, sagt Ungerer. Seebach ist es wichtig, den Menschen „Zugang zu Kultur im öffentlichen Raum über bisherige Objekte mit neuer Funktion“ zu ermöglichen. Das hat er mit dem Literamaten, den es seit 2008 gibt, geschafft. Die Bezeichnung Literamat sei „etwas Besonderes“. Beim Patentamt Jena besitzt Seebach ein Wortpatent darauf. „Sie sind alle handbemalt“, beschreibt Gertraud Ungerer die Literetten. Im Literamaten seien sie Wind und Wetter ausgesetzt. Deshalb werden sie von Ungerer noch in Folie eingepackt, denn „Acrylfarben würden sonst kleben“, weiß die Künstlerin. Seit 2008 seien 1520 Literetten gezogen worden, rund 217 pro Jahr, informiert sie. 1347 davon seien gestalterisch Ungerer-Literetten. Dazu „bin ich wie die Jungfrau zum Kind gekommen“, sagt Ungerer. Zwischen zehn unterschiedlichen Genres kann am Literamaten gewählt werden. Erzählungen, Gedichte, Geschichten für Kinder, Elwetrittche und Mundart-Gedichte gehören dazu. Laut Ungerer sind die Literetten Krimi, 100% Pfälzer und Bibel uff Pfälzisch am beliebtesten. „Es gehen bis zu drei Din-A-4-Blätter in eine Literette“, erklärt Ungerer. Zwischen ihr und den Autoren herrsche ein „reger Austausch“. Weil immer weniger Menschen rauchen würden, sei es in letzter Zeit jedoch schwieriger geworden, an Zigarettenschachteln heranzukommen. Zudem passe nicht jede Schachtel in den Literamaten. Die Autoren wechselten immer wieder. Einige wie Steffen Boiselle, aus dessen Feder 100% Pfälzer und Elwetrittche stammen, seien schon von Anfang an dabei. Sie füllt den Literamaten rund viermal jährlich auf. „Helmut guckt immer rein und sagt mir, was gebraucht wird“, so die Künstlerin. Diesmal hat sie die Literetten Weihnachten und Kleine Kunst dabei. Durch Letztere habe sich der Literamat zum „Kultur- und Kunstautomat“ weiterentwickelt, sagt Seebach. In rund anderthalb Stunden würde ein Kunstwerk geschaffen. Neben Ungerer beteiligen sich Elke Laub-Blankart aus Kandel, Ingrid Kraussen aus Dernbach und Käthe Sauter aus Frankenthal daran. Die Literetten sind beliebtes Mitbringsel oder Urlaubserinnerung. (inaz)

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