Rheinland-Pfalz Kirschessigfliege: Invasion im Weinberg

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NEUSTADT/LANDAU. Immer mehr Winzer in der Pfalz sind verzweifelt. Sie fürchten um ihre Rotwein-Ernte. Die asiatische Kirschessigfliege, bislang eher für Südtiroler Weinbauern eine Last, macht ihnen zu schaffen. Sie bedroht das Lesegut in allen deutschen Anbaugebieten. Nicht nur Winzergenossenschaften in der Pfalz haben in dieser Woche angelieferte Dornfelder Trauben zurückgewiesen. „Rebzeilen unbedingt täglich kontrollieren“, rät das Dienstleistungszentrum Ländlicher Raum (DLR) in Neustadt.

Die südpfälzische Winzergenossenschaft Deutsches Weintor in Ilbesheim beginnt morgen mit der Lese des Dornfelders. Ihre Mitglieder hat die Genossenschaft angewiesen, höchstens 24 Stunden, bevor der Vollernter durchfährt, von Hand die befallenen Traubenhängel herauszuschneiden, also selektiv zu lesen. Warum diese Vorgehensweise so wichtig ist, ist einfach erklärt. Während normalerweise im Most die flüchtige Säure bei etwa 0,2 Gramm pro Liter liegt, wurden in den vergangenen Tagen in den von der Kirschessigfliege angesägten Beeren Werte bis zum zehn- oder gar 20-fachen Säuregehalt gemessen. Da ist auch der klügste Winzer mit seinem Latein am Ende. „Schon bei einem Säuregehalt von 0,9 Gramm wird es kratzig im Hals“, gibt der Bauernpräsident Rheinland-Pfalz Süd, Norbert Schindler, zu bedenken. Er mutmaßt, dass dort, wo der Hagel in diesem Jahr bereits Trauben vorgeschädigt hat, die Kirschessigfliege ein besonders leichtes Spiel gehabt haben könnte. Wie am 19. August bereits berichtet, ist die Kirschessigfliege im Obstbau in Weisenheim am Sand (Kreis Bad Dürkheim) bereits früh „diagnostiziert“ worden. Dass sie ausschwärmen würde, um sich auch über die süßen Beeren vor allem roter Weintrauben herzumachen, wurde zu diesem Zeitpunkt schon nicht mehr ausgeschlossen. Mit Fliegen-Schwärmen solchen Ausmaßes hatte aber wohl niemand gerechnet. Zahlreiche Betriebe haben inzwischen auf das Insektizid Spintor zurückgegriffen, um damit die Angriffslust der fernöstlichen Fliege einzudämmen. Das Mittel wird auch im Zwiebelanbau eingesetzt. „Ich denke, so kriegen wir die Sache in den Griff“, zeigt sich Schindler trotz mancher Hiobsbotschaft recht zuversichtlich. Trösten kann ihn aber nicht, dass die Probleme bei den badischen Winzern noch quälender scheinen als in der Pfalz. Tatsache ist hier wie da, dass es vor allem Weinberge trifft, die unweit von Streuobstwiesen oder auch Beerensträuchern liegen. Zwar komme man nicht ohne Spritzmittel aus, gleichwohl sei Handarbeit mehr denn je gefragt, unterstreicht der Bauernpräsident. „Schlamperei rächt sich.“ Mit dem DLR ist sich Schindler einig, dass die Anlagen nahezu täglich kontrolliert werden müssen. Rebstöcke sollten unbedingt großzügig entblättert werden, damit die Trauben nahezu frei hängen und damit für das Insekt weniger begehrenswert sind. Scheut doch die Kirschessigfliege, die bis zu 400 Eier durch die von ihr angesägte intakte Beerenhaut ins reife Fruchtfleisch legt, das grelle Licht der Sonne. Sie mag es eher feucht-warm und abgedunkelt. Um die Eier abzulegen, braucht es nur winzige Löcher. Wenn sich dann die Larven entwickeln, wird die Öffnung in der prall gewordenen Beerenhaut größer und der Saft tritt aus. Spätestens dann rät der Abteilungsleiter Pflanzenschutz beim DLR, Friedrich Louis, von einer weiteren Gegenwehr ab. Gleichzeitig stellt er klar, dass wegen der auftretenden Fäulnis einzelne Parzellen diesmal vielleicht auch früher geerntet werden müssen. Also ohne Blick auf die Öchslegrade. Schlimme Erkenntnis: Innerhalb nur weniger Tage kann in Anlagen, die heute noch komplett „sauber“ scheinen, alles Essig sein. Louis kann sich dagegen vorstellen, dass noch gesunde Spätsorten wie der Spätburgunder oder auch Merlot und Cabernet Sauvignon mit Pflanzenschutzmitteln behandelt werden können. Freilich nur dann, wenn sich die Winzer mit der Lese 14 Tage Zeit lassen können. Von einer Verkürzung dieser Frist auf eine Woche, wie sie jetzt in Baden erlaubt wurde, halten Experten an der Weinstraße nichts. Inzwischen ist auch in der Pfalz das Spritzmittel Piretro Verde zugelassen, das eine Wartezeit von lediglich einem Tag benötigt. Problem hier wie dort: Das Insektizid macht nicht alleine der Kirschessigfliege den Garaus, sondern ist auch für Raubmilben und Bienen lebensbedrohlich. Apropos Essigfliege: Nicht alles, was derzeit als Schaden im Weinberg deklariert werde, betont der DLR-Pflanzenschutz-Fachmann, gehe auf das Konto Japan-Import. Nicht zu unterschätzen sei der Anteil, den die normale Essigfliege, auch Fruchtfliege genannt, an dem Dilemma hat. In diesem Jahr jedenfalls traktierte sie deutlich früher als gewohnt das Obst. Auf das Konto des vergangenen milden Winters, da sind sich die Fachleute einig, geht ausschließlich die Ausbreitung der Kirschessigfliege. Dadurch habe sie sich in großer Zahl ihren Weg nach Deutschland bahnen können. „Wir haben vor allem dort ein Problem, wo die Trauben an Obstbau angrenzen“, hat auch Weinbaupräsident Edwin Schrank festgestellt. Für ihn spielt der „Pflegestandard“ ebenfalls eine dominierende Rolle. „Übel ergeht es jedem, der die Trauben zu lange hängen lässt.“ Deshalb drängt auch Schrank darauf, nur ja den Bestand ganz genau unter die Lupe zu nehmen. Auch müssen die befallenen Früchte, die vom Rebstock geschnitten werden und auf den Boden fallen, entweder gekalkt oder umgehend untergepflügt werden, heißt es in Winzerkreisen. Nur so lasse sich eine erneute Infektion durch Bakterien vermeiden, die mit der Eiablage der Kirschessigfliege entstehen. Niemand in der Branche ist heute in der Lage, die Einbußen für die Weinwirtschaft auch nur grob zu schätzen. Dazu ist es noch zu früh. Zudem weiß man nicht, ob die weißen Traubensorten verschont bleiben. Tatsache ist, dass es die Kirschessigfliege auf reifen Beeren abgesehen hat und sie zum Faulen bringt. Nicht auszudenken, wenn das Insekt künftig auch Gefallen an weißen Trauben finden würde.

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