Landau Infektionsrisiko im Keim ersticken

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Wir alle tragen Keime mit uns herum. Sollen wir uns deshalb zur Begrüßung besser nicht mehr die Hände geben? Unsinn, meinen die Fachleute der Kliniken in Landau und im Kreis Südliche Weinstraße. „Hände häufiger waschen“, ist ihr Rat. Das Thema Hygiene hat in ihrem Berufsalltag einen hohen Stellenwert. Ein Gespräch.

Das Schreckgespenst der Branche sind multiresistente Keime. Dabei beklagen die Mediziner, dass Laien Krankenhausinfektionen und multiresistente Keime oft in einen Topf werfen. „Man stirbt nicht einfach an einem multiresistenten Keim auf einer Intensivstation“, sind sich die Ärzte einig. Erst wenn das Immunsystem eines Patienten aufgrund verschiedener Ursachen schwer geschädigt sei, bestehe ein hohes Risiko. Für gesunde Menschen seien Keime in der Regel keine Gefahr. Darüber und über hygienische Anforderungen in Kliniken und zu Hause sprach die RHEINPFALZ mit den Vertretern des katholischen Vinzentius-Krankenhauses Landau – mit Geschäftsführer Ludger Meier, Ärztlichem Direktor Dirk Piorko und stellvertretendem Kaufmännischen Direktor und Hygienebeauftragten Joachim Gilly – sowie den Verantwortlichen des Klinikums Landau-Südliche Weinstraße – Geschäftsführer Guido Gehendges und Ärztlichem Direktor Helmut Lang. Nach Schätzung der Experten tragen sechs bis acht Prozent der Bevölkerung den MRGN-Keim 3 oder 4 (siehe Stichwort) mit sich herum, ohne krank zu werden. Die Südpfalz sei ohnehin kein typisches Problemgebiet für multiresistente Keime, betonen die Ärzte. Das Rhein-Main-Gebiet mit dem Drehkreuz Flughafen sei viel stärker betroffen, weil dort Reisende diese Keime aus Südosteuropa oder Osteuropa einschleppen. In diesen Ländern, so erläutert Dirk Piorko, werde der Umgang mit Antibiotika nicht so streng gehandhabt. Sie seien nicht rezeptpflichtig und könnten in jedem Tante-Emma-Laden gekauft werden. Wenn bei jeder Erkrankung Antibiotika eingenommen wird oder zu lange, besteht die Gefahr, dass der Körper auf diese Stoffe nicht mehr reagiert, Resistenzen entwickelt. „Multiresistente Keime sind ein von der Gesellschaft selbstgezüchtetes Problem“, sagt Piorko. Das sieht auch Helmut Lang so und nennt die Veterinärmedizin als ein weiteres Problem. Tonnen von Antibiotika würden über ganze Ställe ausgeschüttet, die Substanzen gelangten ins Grundwasser und in unsere Nahrung. Seit einigen Jahren nehme das Antibiotikum-Management bundesweit in den Kliniken einen ganz hohen Stellenwert ein, erläutern die Ärzte im Gespräch. Auch in Landau und im Kreis gibt es jeweils eine Antibiotikum-Specialforce, wie sie das Infektionsschutzgesetz vorschreibe. Damit der Patient dem Medikament nur eine bestimmte Zeit ausgesetzt sei und keine Resistenzen entwickele, würden sowohl die Mittel als auch Behandlungslänge und Dosierungshöhe vorgegeben, erfasst und kontrolliert. Es werde alles transparenter. „Wir trainieren unsere Strukturen“, sagt Joachim Gilly. Was halten die Mediziner von der Kampagne „No hands“, die statt des Händedrucks ein Lächeln empfiehlt? Auch das Neustadter Hetzelstift hat seinen Mitarbeitern vor Kurzem nahe gelegt, auf den Begrüßungs-Händedruck zu verzichten. „Schöne Kampagne mit schönem Slogan“, sagt Piorko, allerdings sei da Fingerspitzengefühl gefordert, denn es gebe Patienten, die wollten Nähe, Zuneigung und Empathie. „Es ist schwierig, eine Visite zu machen mit 30 Patienten, wenn Sie jedem erklären müssen, warum Sie ihm keine Hand geben“, ergänzt Lang. Die Mediziner verweisen auf eine andere Kampagne, die es in Deutschland seit zehn Jahren gebe und die immer erfolgreicher werde: die Aktion Saubere Hände. Von Jahr zu Jahr steige der Verbrauch an Desinfektionsmittel. Im Klinikum hängen die Spender auch an den Ein- und Ausgängen und werden zunehmend in Anspruch genommen, beobachtet Gehendges. Das A und O sei die Schulung der Mitarbeiter, betont Gilly. Das Bewusstsein und die Selbstdisziplin – wann und wie desinfiziere ich meine Hände – sei für alle ärztlich und pflegerisch Tätigen wichtig, sagt auch Piorko. Die Leute zu motivieren, diese Disziplin zu entwickeln, sei die größte Herausforderung. Ein anderer Aspekt ist die Reinigung, eine sehr komplexe Materie. Krankenhäuser zählen laut Gilly zur Königsklasse. Jedes Haus habe einen Hygieneplan, der auf den gesetzlichen Vorgaben basiere. Beispielsweise sei bei Noroviren eine höhere Dosierung der Mittel notwendig. Das Vinzentius-Krankenhaus setzt die rheinland-pfälzische Hygieneverordnung zurzeit neu um. Laut Gilly wurde die Dienstleistung der Desinfektion an ein externes Unternehmen vergeben. Privatleute müssten kein Desinfektionsmittel mit sich herum tragen. „Außer vielleicht, wenn Sie mit kleinen Kindern Urlaub in einem südeuropäischen Land machen“, so Lang. Sich zu Hause ein halbwegs steriles Ambiente zu schaffen, sei auch für Kinder nicht gut. „Es wird auch nicht jeder Keim dadurch vernichtet.“ Die Klinikmitarbeiter haben die Erfahrung gemacht, dass sich die meisten Angehörigen in den Krankenhäusern sehr verantwortungsvoll verhielten und ihre Hände desinfizierten. In Altenheimen werde vielleicht noch nicht so viel darüber nachgedacht. Aber dort seien Keime noch stärker verbreitet, wissen die Ärzte, die täglich mit Einlieferung aus Pflegeeinrichtungen zu tun haben. Jeder Neuzugang werde auf Keime untersucht. Beide Häuser stützen sich dabei auf Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts. Mit Schnelltests liegen die Ergebnisse innerhalb von 24 Stunden vor. So lange würden die Patienten isoliert. Isoliert wird erst recht, wenn ein multiresistenter Keim nachgewiesen wird. „Das Krisenmanagement setzt direkt am Portal an“, sagt Gehendges. Das sei tägliches Brot. Die Ärzte weisen darauf hin, dass es viel mehr Infektionen mit herkömmlichen als mit multiresistenten Keimen gibt. Und davor müsse sich der Patient nicht fürchten: „Es gibt ein großes Spektrum an Antibiotika, die man einsetzen kann.“ Die Investitionen in Hygiene – 2011 von der Bundesregierung im Infektionsschutzgesetz deutlich verschärft – lassen sich nach Worten der Geschäftsführer nicht beziffern. Die Häuser würden Zug um Zug modernisiert und damit auch in die Ausstattung der Zimmer investiert. Klinikum und Krankenhaus haben Hygienefachkräfte und -ärzte sowie Hygienebeauftragte. In beiden Häusern fehlt es nicht an Pflegepersonal, betonen Meier und Gehendges und begründen dies auch mit Nachwuchs aus den eigenen Pflegeschulen. Unter anderem wegen der demografischen Entwicklung sei der Betreuungsaufwand heute höher als vor zehn Jahren, weil die Patienten älter seien. Vertrauensbildende Maßnahmen in die Qualität der Häuser stecken im Detail, sagen die Fachleute. Das Thema Hygiene komme nicht zuletzt durch die Skandale immer stärker in den Blick. Gehendges betont: „Wir wollen, dass die Leute gut versorgt werden. Hygiene ist ein wichtiger Teil unseres Jobs. Das Thema ist von höchstem Belang. Dem ist alles unterzuordnen.“ (sas/rww/boe)

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