Rheinland-Pfalz Im Visier der Torun-Mörder

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Nach dem gewaltsamen Tod eines türkischen Geschäftsmanns aus Ludwigshafen riefen Unternehmer die Polizei an, weil sie glauben: An sie pirschten sich die Mörder ebenfalls heran. Ermittler haben inzwischen aber auch selbst Geschäftsleute identifiziert, die als mögliche Opfer ins Blickfeld der Täter geraten sein sollen.

Ludwigshafen. Ihre Lippen formen eine schmollige Schnute, die linke Augenbraue hat sie hochgezogen: Mit einem lustigen Grimassenfoto grüßt die 42-Jährige am Vormittag des 3. Januar die fast 1500 Menschen, die ihre Aktivitäten bei Facebook verfolgen. Dass sie ihnen einen „magischen Dienstag mit viel Sonne und Liebe“ wünsche, schreibt die Stuttgarterin dazu. Wie deren eigener Tag dann verlief, rekonstruieren jetzt Pfälzer Ermittler. Nach RHEINPFALZ-Informationen gehen sie davon aus, dass die Frau den Ludwigshafener Firmenchef Ismail Torun traf. Sie soll den Deutsch-Türken in eine Mannheimer Lagerhalle gelotst haben – angeblich, weil die für ein Immobilienprojekt umgebaut werden sollte. Als Unternehmer aus der Baubranche konnte der 49-Jährige da auf ein lukratives Geschäft hoffen. Doch stattdessen sollen ihn in dem leerstehende Gebäude die zwei Komplizen der Stuttgarterin überwältigt, in einen weißen Transporter verfrachtet und dann in eine Garage gesperrt haben. Am 6. Januar gegen 10 Uhr wurde die Leiche Toruns in einem Gebüsch bei Bad Dürkheim gefunden – er war erdrosselt worden. Doch vor seinem Tod hatte er noch vermögende Freunde und Geschäftspartner angerufen, ihnen etwas von einem spontanen Grundstücksgeschäft in Berlin erzählt. Etwa eine Million Euro in bar trommelte Torun so zusammen. Auch dieses Geld soll die Stuttgarterin in Empfang genommen haben. Nach RHEINPFALZ-Informationen gilt sie obendrein als diejenige, die bereits das erste Opfer des Trios in eine tödliche Falle gelockt hatte: einen Unternehmer aus Baden-Württemberg, dessen Leiche im November am Ludwigshafener Willersinn-Weiher entdeckt wurde. Auch in seinem Fall soll es den Tätern um Geld gegangen sein. Und: Es verdichten sich die Hinweise darauf, dass sie es auf noch mehr reiche Menschen abgesehen hatten. Denn einerseits haben sich weitere eingewanderte Unternehmer bei der Polizei gemeldet, denen Ende des vergangenen Jahres überraschend lukrative Geschäfte in Aussicht gestellt worden sein sollen. Sie befürchten: Auch sie sollten damals in eine Falle gelockt werden (wir berichteten). Ob sie mit diesem Verdacht recht haben, wollen jetzt die Ermittler herausfinden. Andererseits haben die Beamten mittlerweile auch von sich aus Personen identifiziert, die das Trio offenbar als mögliche Opfer im Blick hatte. Betroffen ist unter anderem ein weiterer türkischstämmiger Unternehmer aus Ludwigshafen. Um wie viele Menschen es insgesamt geht, behält die Staatsanwaltschaft in Frankenthal für sich. Deren Leiter Hubert Ströber sagt nur: Die Betroffenen sind informiert worden. Und noch etwas verrät der Chefermittler: Er geht inzwischen davon aus, dass die Getöteten ihre mutmaßlichen Mörder „zumindest teilweise“ kannten. Genauer will Ströber dann aber doch nicht werden, „aus ermittlungstaktischen Gründen“. Im Fall Toruns lässt sich vermuten, dass ihm zumindest der 49-jährige mutmaßliche Chef der Bande ein Begriff war. Denn dem gehörte früher eine Wellness-Oase mit Hamam in Frankenthal. Im türkischen Schwitzbad entspannten sich auch Menschen aus dem Umfeld des Bauunternehmers. Der dritte, 37-jährige Verdächtige wiederum stand in loser Verbindung zum ersten Opfer. Denn dieser Getötete verdiente sein Geld als Automatenaufsteller. Seine Geräte sollen unter anderem in dem Ludwigshafener Café gestanden haben, das der 37-Jährige betrieb. Solche Bezüge sind zumindest ein Indiz dafür, dass die Täter von Anfang an vorhatten, die beiden Männer umzubringen, nachdem sie ihnen viel Geld abgepresst hatten. Schließlich können Entführer ihre Opfer nur wieder freilassen, wenn die sie nicht kennen und deshalb hinterher auch nicht anzeigen können. Doch ob die Beschuldigten tatsächlich beide Male mit mörderischem Vorsatz ans kriminelle Werk gingen, lässt die Staatsanwaltschaft derzeit offen. Denn sie muss in diesem Punkt vor allem die Aussagen der drei Festgenommenen analysieren. Was die in ihren Vernehmungen bei der Polizei gesagt haben, halten die Ermittler noch geheim – unter anderem, weil sich die Verdächtigen gegenseitig die Schuld zuschieben. Die Stuttgarterin beispielsweise beteuert nach RHEINPFALZ-Informationen: Sie wurde selbst von ihren beiden Komplizen angelogen und wusste nicht, was die vorhatten. Als mutmaßliche Mörderin gilt sie derzeit trotzdem, festgenommen worden ist sie am 7. Januar. Am Vormittag dieses Tages hatte sie bei Facebook noch einmal einen Beitrag veröffentlicht. „Ich wurde erzogen, um zu glauben, dass es genug Sonne für alle gibt“, schrieb sie da. Und setzte ein rotes Herzchen dazu.

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