Politik Ein beklemmend trauriger Familienstreit

Altkanzler-Sohn Walter Kohl wurde gestern der Zutritt zum Haus in der Marbacher Straße in Ludwigshafen verwehrt.
Altkanzler-Sohn Walter Kohl wurde gestern der Zutritt zum Haus in der Marbacher Straße in Ludwigshafen verwehrt.

Seit seines Vaters zweiter Heirat 2008 seien „die Mauern um sein Haus in Oggersheim höher und fester denn je“, schrieb Helmut Kohls älterer Sohn Walter in seinem Buch „Leben oder gelebt werden“ (2011). Gestern nun stand Walter Kohl mit zwei Enkeln des Kanzlers vor dessen Bungalow in der Marbacher Straße und bekam keinen Einlass. Er habe Hausverbot, hätten ihm die Polizisten gesagt. Der Anwalt Maike Kohl-Richters, Stephan Holthoff-Pförtner, wies das scharf zurück. Walter Kohl habe am Dienstag das Angebot angenommen, über die Teilnahme der Söhne und ihrer Familien an der Trauerfeier zu reden, den vereinbarten Telefontermin aber nicht eingehalten. Dem wiederum widersprach Walter Kohl gegenüber der „Bild“-Zeitung: Der Anwalt lüge. Helmut Kohl hat mit seinen Söhnen lange und bis zu seinem Tod nicht mehr geredet. Deren Verhältnis zu seiner Witwe ist offenbar unheilbar zerrüttet. „Er ist mein Vater, und ich werde nie einen anderen Vater haben können oder wollen. Als sein Sohn bleibe ich ihm, trotz Trennung, immer verbunden“, hat Walter Kohl auch in seinem Buch geschrieben. Sein Vater und Maike Kohl-Richter hätten das als Versöhnungsangebot verstehen können. Stattdessen waren sie empört, wie die tragische Familiengeschichte öffentlich ausgebreitet wurde. Als der jüngere Sohn Peter Kohl als Mitautor eine Biografie über seine Mutter veröffentlichte (Hannelore Kohl. Ein Leben, 2013), waren der Altkanzler und seine Frau nicht weniger aufgebracht. Kohls Söhne hatten eine schwierige Kindheit: wegen des politischen Amtes des Vaters angefeindet, rund um die Uhr beschützt wegen des RAF-Terrors. Der Vater liebte sie, war aber selten zu Hause und auch dann kaum für sie da. Die Mutter Hannelore schaffte es nie, das zu ändern. Die Söhne haben gelitten. Sind ihre Bücher nun Akte der Selbstbefreiung oder egoistische Verunglimpfungen des Vaters und seiner zweiten Frau? Wer will das sicher beantworten. Aus dem Familienstreit resultieren die Merkwürdigkeiten um Kohls Beerdigung. Zeitlebens hat er sich stolz zu Ludwigshafen bekannt. Seine Frau ist dort in einem Familiengrab beerdigt. Jetzt aber sei es sein Wille, in Speyer zur letzten Ruhe zu kommen. Die „Bild“-Zeitung, deren langjähriger Chefredakteur Kai Dieckmann Trauzeuge Kohls und seiner zweiten Frau ist und der jetzt die Witwe unterstützt, verbreitet, Kohl habe das vor zwei Jahren selbst so entschieden. Kohl habe keinen nationalen Staatsakt gewollt, verbreitet „Bild“. Er sei verbittert, weil ihm die Regierung von Kanzler Gerhard Schröder nach seiner Abwahl vorwarf, er habe wichtige Akten im Kanzleramt vernichten lassen. Dafür fanden sich keine Beweise. Kanzleramtschef war damals der heutige Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der beim nationalen Staatsakt selbstverständlich reden würde. An der Version von „Bild“ könnte etwas dran sein. Denn der Riese Helmut Kohl war dünnhäutig und zunehmend nachtragend. Maike Kohl-Richter scheint ihm da ähnlich zu sein. Der herausragende Staatsmann Kohl ist als Familienvater gescheitert. Aber wer will sich darüber erheben? Geht es nicht vielen Männern ganz ähnlich wie Kohl?

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