Rheinpfalz Der große Bluff

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Bei dem verhinderten Käufer des Flughafens Hahn haben die Gesellschafter und damit die Geldgeber binnen kurzer Zeit mehrfach gewechselt. Offenbar ging auch dem Innenministerium der Überblick verloren, trotz der Hilfe des Verfassungsschutzes. Den Ministern der jungen Ampelkoalition wurde schriftlich Herr Zhou Chao genannt, mündlich hieß der Käufer dann Zhu Qing.

Fünfzehnstellige Nummern und Firmennamen in chinesischen Registern abzugleichen ist eine klassische Arbeit im Hintergrund. Bei Widersprüchen wird nachgefragt. Die Antworten, die KPMG-Mitarbeiter am 25. Februar 2016 von den chinesischen Verhandlungspartnern der Shanghai Yiqian Trading Co. Ltd. (SYT) erhalten, gehen lautlos zu den Akten. Das Beratungsunternehmen sucht im Auftrag des Landes Käufer für den Flughafen Hahn und soll diese überprüfen. In Rheinland-Pfalz findet am gleichen Tag die letzte Plenarsitzung vor der Landtagswahl statt. Die Politik ist im Wahlkampfmodus. Der damalige Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD) verbietet allzu kritische Fragen der CDU zu den Kaufinteressenten für den Flughafen Frankfurt-Hahn. Innen-Staatssekretär Randolf Stich (SPD) spricht von der „Zielgeraden“. Drei Kaufangebote liegen für den Flughafen vor, alle Bieter wollen den Flugbetrieb fortführen Um diese Fragen geht es gar nicht beim Abgleich der Registerdaten. Vielmehr darum, wem das Unternehmen gehört, das im November ein Kaufangebot für den Flughafen abgegeben hat. Nach eigenen Angaben heißt es Shanghai Yiqian Trading Co. Ltd. Doch schon beim Namen fängt die Verwirrung an. Denn die Registriernummer gehört zu einem Unternehmen namens „Best Resources Incorporation“. Das geht aus zwei Datenbanken, BCISS und SAIC, hervor. Eine ähnelt der Kreditreform, die andere einem Handelsregister. SYT erklärt über die noble Frankfurter Anwaltskanzlei Greenfort, es gebe zwei Firmen namens SYT, eine gehöre der Best Resources. Die andere sei aber die Bieterfirma. Hinter beiden stehe Kyle Wang als Gesellschafter. Wang, 33, wird am 6. Juni, also vier Monate, eine Landtagswahl und eine Regierungsbildung später, bei einer Pressekonferenz am Flughafen Hahn ganz vorn mit auf dem Podium sitzen, wenn Innenminister Roger Lewentz (SPD) den Verkauf des Flughafens an SYT verkündet. Seinen Stolz über den Erwerb des Flughafens postet Wang via Facebook in die ganze Welt hinaus. Die Öffentlichkeit lernt Wang als Minderheitsgesellschafter kennen, der zehn Prozent der Anteile an SYT hält. Ebenfalls lernt sie Yu Tao Chou kennen, den Generalbevollmächtigten von SYT, der Mediziner und Pilot ist. Als Mehrheitsgesellschafter mit 51 Prozent benennt die Landesregierung in den Folgetagen Herrn Zhu Qing. Doch beim Registriernummern-Vergleich im Februar ist dieser Name noch gar nicht aufgetaucht: Da fragt KPMG nach einer Erklärung, warum in der Selbstauskunft in der sogenannten Company Due Diligence Questionnaire neun Anteilseigner aufgeführt sind, aber das offizielle Register nur Kyle Wang kennt. Antwort: Die neun Eigentümer sind die geplante Gesellschafterstruktur nach dem Kauf. „Wir entschuldigen uns für die Verwirrung“, steht in der Antwort, die in den Prüfbericht vom 20. April eingeht. Darin stellen die Mitarbeiter von KPMG zusammenfassend fest: Nach offiziellen Quellen halten Quifei Wu und Weizong Tang je 50 Prozent der SYT-Anteile. Nach einer Selbstauskunft von SYT gibt es vier Anteilseigner, Kyle Wang ist einer davon. Nach einer anderen wird Chao Zhou der neue Mehrheitsgesellschafter von SYT. Aber, so die KPMG-Mitarbeiter, diese Information lasse sich nicht durch öffentlich zugängliche Quellen bestätigen. Ausgerechnet dieser Name, Chao Zhou, ist es aber, der sich nach RHEINPFALZ-Informationen in den ersten Tagen nach der Regierungsbildung am 18. Mai in einem mehr als 40 Seiten dicken vertraulichen Papier wiederfindet. Mit dieser Kabinettsvorlage soll der Beschluss zum Verkauf des Flughafens Hahn vorbereitet werden. Chao Zhou und Kyle Wang werden darin als Eigentümer von SYT genannt. Zhou sei der Sproß einer bekannten Unternehmerfamilie in China, leite ein Textilunternehmen und sei der maßgebliche Finanzierer des Hahn-Kaufs. Auf Nachfrage teilte das Innenministerium mit, die Informationen basierten auf den Erkenntnissen von KPMG. In den KPMG-Unterlagen findet sich dafür aber kein Beleg. Unter der Rubrik Ausbildung steht bei Chao Zhou „unknown“ (unbekannt), ebenso bei Kyle Wang. Letzterer wird den Ministern des rot-gelb-grünen Kabinetts als ehemaliger Banker vorgestellt. Weder in den KPMG-Unterlagen noch in der Kabinettvorlage taucht der Name von Hans-Werner Müller auf, dem Edelsteinhändler aus Idar-Oberstein, der die Verkaufsverträge für SYT unterschrieben hat. Die Anregung des Finanzministeriums, eine Wirtschaftsdetektei in China einzuschalten, lehnt das Innenministerium ab, unter anderem mit dem Hinweis, dass der rheinland-pfälzische Verfassungsschutz keine Erkenntnisse über die Bieter gewonnen habe. (Siehe Seite 1.) In der Staatssekretärsrunde am 23. Mai wartet auf die zum Teil ganz frisch ins Amt berufenen Amtschefs der jeweiligen Ministerien eine Überraschung: Nicht mehr der Textilunternehmer Chao Zhou sei nun Mehrheitsgesellschafter neben Kyle Wang, sondern Zhu Qing. Das soll SYT bei der letzten Beratungsrunde am 19. Mai mitgeteilt haben. Über Zhu Qing wird später öffentlich gesagt werden, er stamme aus einer bekannten Unternehmerfamilie, der ein bedeutendes Bauunternehmen gehöre. Auf die Idee, das Kyle Wang und der Pilot Yu Tao Chou nur bluffen, kommt offenbar niemand. Journalisten werden wenige Wochen später an der Firmenadresse einen Reifenhandel finden und leere Büroräume. Der Eigentümerwechsel verursacht Fragen. Binnen einer Woche legt SYT das Schreiben einer Rechtsanwaltskanzlei vor, wonach die neuen Eigentümer ordnungsgemäß in das Register eingetragen sind. Der Ministerrat stimmt dem Verkauf am 30. Mai zu. Einstimmig. Der neue Wirtschaftsminister Volker Wissing (FDP) ist nicht dabei. Er informiert sich an diesem Tag über das Ausmaß der Hochwasserschäden in der Pfalz. Den Ministern, vor allem jenen von FDP und Grünen, versichert das Innenministerium, der Käufer sei sorgfältig geprüft, dabei seien keine Auffälligkeiten festgestellt worden. Am Tag der Entscheidung im Kabinett schaltet KPMG die Ampel, die Risiken anzeigen soll, auf „grün“, nachdem sich die Angaben der Rechtsanwaltskanzlei im Register nachvollziehen lassen. Und die Integrität von Zhu Qing? Schon die Altersangabe, 35, lasse sich nicht durch andere Quellen verifizieren, die Adresse sei unbekannt. So steht es im KPMG-Prüfbericht. Das politische Mainz wartet in jenen Tagen auf die erste Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Dreyer, die die Wahl im März für die SPD fulminant gewonnen hat. Am nächsten Tag, CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner sagt im Landtag, Dreyers Erklärung enthalte viel „Ampel-Prosa“, sitzt Innenstaatssekretär Randolf Stich (SPD) bei Greenfort in Frankfurt und unterschreibt den Kaufvertrag. Vier Tage später stellt Innenminister Roger Lewentz die Käufer am Hahn vor. 14 Millionen Euro sollen sie für den Airport zahlen. Schon wenige Tage später melden Journalisten Zweifel an den Investoren an. Die Greenfort-Anwälte in Frankfurt liefern Angaben über die Gesellschafter nach, Staatssekretär Stich versichert in einer Pressemitteilung: „Hahn-Investor umfassend geprüft.“ Tapfer verteidigen Parlamentarier der Ampel-Koalition am 9. Juni in einer Sondersitzung dreier Landtagsausschüsse die Regierung. Daniel Köbler (Grüne) sagt: „Deswegen bin ich auch sehr froh, dass dargestellt worden ist – entgegen den Berichten, die derzeit in den Medien herumgeistern –, dass sehr wohl doppelt und dreifach überprüft worden ist, wer eigentlich dahintersteht.“ Innenstaatssekretär Stich kündigt am Rand der Sitzung an, der Mehrheitsgesellschafter und Finanzier Zhu Qing werde bald nach Deutschland kommen. Das passiert aber nicht. Die Vertreter von KPMG sagen, die beiden anderen Bieter hätten noch viel weniger Unterlagen vorgelegt als SYT. Immer wieder heißt es, die EU-Kommission verlange den Verkauf an den Höchstbietenden. Nicht einmal den Businessplan dürfe der Verkäufer prüfen. Jenes Werk, das dem Hunsrück eine zweite Landebahn, 1,2 Millionen Tonnen Fracht, ein Luxushotel und florierenden chinesischen Tourismus verspricht. Von der Regierung fällt kein Wort, dass bereits am nächsten Tag das Geld zumindest für den Grundstückskauf auf einem Notaranderkonto eingehen soll. Dass die Zahlung ausgeblieben ist, darüber schweigt Lewentz auch 14 Tage später, als die Regierung das Hahn-Verkaufsgesetz in den Landtag einbringt. SPD-Fraktionschef Alexander Schweitzer wird sagen, es gebe keine Alternative zum Verkauf – „und zu diesem Käufer“. Am 29. Juni lässt Lewentz das Gesetzgebungsverfahren anhalten. In vier knappen Minuten erklärt er, SYT habe eine Teilrate nicht gezahlt. Der Bluff ist aufgeflogen.

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