Interview: Bananensprayer Thomas Baumgärtel "Es ist eben nicht alles Banane"

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Spraybananen machten Thomas Baumgärtel weltberühmt. In sämtlichen Metropolen der westlichen Welt zieren seine aufgesprühten Südfrüchte die Eingänge von Museen und Galerien. Ab Mai gibt es ein Exemplar in Kirchheimbolanden zu bestaunen. An der Fassade des Hotels Braun entsteht die größte Spraybanane der Welt. Zudem zeigt die Ausstellung „Schilderwald“ von Freitag, 13. Mai, bis Freitag, 27. Mai, im Kunstraum Holzmann, dass der Kölner Künstler nicht nur auf die Banane reduziert werden kann. Woher seine Leidenschaft für die gelbe Südfrucht rührt und wie der Kontakt nach Kirchheimbolanden zustande kam, erzählt Baumgärtel im Gespräch mit LEO-Mitarbeiter Christoph Demko.

Herr Baumgärtel, wie entdeckten Sie Ihre Leidenschaft für die Kunst?

Da muss ich etwas weiter ausholen: Der Wunsch meines Vaters war es, dass ich Medizin studiere. Er selbst hatte sich das für sich immer gewünscht, damals nach dem Krieg war das aber alles zu teuer und zu aufwendig. In den 60er- und 70er-Jahren war hingegen alles möglich, sodass er gesagt hat, seine Kinder sollen alle studieren, am liebsten eben Medizin. Als dann mein Zivildienst anstand, habe ich diesen sinnvollerweise in einem Katholischen Krankenhaus am Niederrhein, wo ich aufgewachsen bin, geleistet. Dort hing über jedem Bett ein Kreuz. Über Nacht ist eines davon runtergefallen, die Jesusfigur, die am Kreuz befestigt war, ist zerbrochen. Beim Aufkehren der Scherben dachte mir dann, ‚das Kreuz kannst du jetzt auch nicht so leer wieder hinhängen‘ und habe meine Frühstücksbanane geopfert und an das Kreuz genagelt. Das gab natürlich ganz schön Ärger mit den Ordensschwestern, für mich ging es ans Eingemachte. Ich habe aber auch gemerkt, dass das etwas ist, was Wirkung erzeugt und was ich gerne machen will. Daraus reifte der Entschluss, dass ich Kunst machen möchte und nicht Medizin studieren.   Ihr Vater dürfte davon wenig begeistert gewesen sein. Als ich meinen Entschluss meinem Vater mitteilte, war der natürlich wenig begeistert. Ich habe mich dann aber trotzdem für einen Studienplatz in Kunst in Köln beworben. Falls daraus nichts wird, habe ich mich parallel noch für Psychologie beworben und habe schließlich beides studiert. Das war eine ganz tolle Kombination, bei der Psychologie habe ich viel über die Wirkung von Kunst gelernt. Wie kam es dann zur Banane? Ich habe damals dieses Kreuz mitgenommen – es war ja ohnehin entweiht – und bei meinen Eltern im Keller gelagert. Als ich ein halbes Jahr später wieder runterkam, sah ich, dass zwar die Banane im Grunde total verschwunden war, die Schale aber so ausgetrocknet war, dass sie wie Holz war. Da merkte ich, dass man diese Bananenschalen schön arrangieren kann. In der ersten Zeit meines Kunststudiums habe ich ganz viele solcher Bananenschalen gemacht. Da hatte ich natürlich den Ruf weg ‚das ist der Bananenkünstler hier‘ und irgendwie bin ich dann zur Sprühbanane gekommen. Und wie gelangte die Spraybanane dann in den öffentlichen Raum? Ich wollte nicht mehr nur wild rumsprühen wie viele andere, sondern ich wollte ein bisschen methodischer vorgehen. Nach Köln kam ich wegen der boomenden Kunstmetropole, den vielen Museen und Galerien, die zu der Zeit in Köln wie Pilze aus dem Boden schossen. Die, die mir dann gefallen haben, bekamen eine Banane an den Eingang gesprüht und so war das Projekt geboren, die Auszeichnung von Kunstorten, die ich gut fand. Fanden denn die Galerien die Auszeichnung auch gut? Die ersten zehn Jahre war das mit vielen Verhaftungen verbunden. In fast jeder Stadt bin ich irgendwann mal aufgegriffen und verhört worden, in München wurde ich mal ins Gefängnis gesteckt wegen Banane sprühen. Es war erstmal 15 oder 20 Jahre ein hartes Brot. Die letzten zehn Jahre hat sich das völlig gewandelt. Ich kam zum Beispiel mal in ein Museum, in dem ganz viel Presse war. Da dachte ich, welchen Megastar die wohl zu Besuch hatten. Als ich dann einen Journalisten gefragt habe, wer denn da gewesen sei, meinte er, ‚der Bananensprayer kommt‘. Es hat sich doch irgendwie gewandelt. Heute bin ich wie so ein Restaurantkritiker: Ich melde mich irgendwo an und schaue mir das Museum an, entweder die bekommen dann die Banane oder nicht. Es ist einfach angekommen in der westlichen Welt als Auszeichnung. Wo haben Sie denn bislang überall Museen oder Galerien ausgezeichnet? Das habe ich in New York gemacht, in London, in Paris, in Basel, in Zürich, also in den Metropolen der westlichen Welt. Es sind mittlerweile weltweit mehr als 4000 Orte, die eine solche Auszeichnung bekommen haben. Und wie kam es schließlich zur größten Spraybanane der Welt in Kirchheimbolanden? Es handelt sich dort ja nicht um ein Museum. Ich sehe das als Fassadengestaltung, das hat erstmal nichts mit der Auszeichnung zu tun. Allerdings wird der Kunstraum Holzmann dort sicherlich noch seine Banane als Auszeichnung bekommen. Der Kontakt kam so zustande, dass ich bis zum letzten Jahr in einem Atelierhaus in Köln-Mülheim war. Eine dortige Kollegin, Linda Nadji, hatte eine Kunstaustellung bei Frau Thorn Wickert. Der Partner der Künstlerin erzählte mir dann immer ganz begeistert von Frau Thorn Wickert – dass die viel für die Kunst macht und viele Kontakte hat. Dann war für mich klar, dass ich mir das mal angucken muss und bin mit zur Vernissage von Linda nach Kirchheimbolanden gekommen. Bei der Vernissage meiner Kollegin habe ich gesehen, dass das ein ganz toller Ort ist. Im Gegenzug hat mich Frau Thorn Wickert auch in meinem Atelier besucht und so kam dann der Kontakt zustande. Ist das die erste Baumgärtel’sche Spraybanane in der Pfalz? Ich habe vor ein paar Jahren mal ein Projekt bei der Weinmesse in Landau gemacht. Dazu wird immer ein Künstler eingeladen, der auch das Plakat gestaltet, seitdem gibt es dort eine Banane. Ansonsten müsste ich mal in meinem Archiv kramen, aber es wird sicherlich nicht die allererste Banane in der Pfalz sein. Das wäre sträflich vernachlässigt, wenn man das 30 Jahre macht und die Pfalz noch nie besucht hätte. Es wird in Kirchheimbolanden aber die bisher größte sein. Die allergrößte Banane in der ganzen Welt zu haben ist doch schonmal eine ganz schöne Sache. Wieder zurück zur Banane als Solche. Hat sie sich in den 30 Jahren verändert? Die Banane als Banane ist immer gleich geblieben. Ich habe zwar immer neue Schablonen benutzt aber es ist immer die gleiche Banane, die als Auszeichnung für einen guten Kunstort gesprüht wird. Die bleibt immer gleich. Aber die Banane an sich, wie ich sie benutze, da hat sich ganz viel geändert. Es gibt zum Beispiel einen Werkblock, den nenne ich die „Metamorphose der Spraybanane“. Das ist die Verwandlung der Spraybanane. Da gibt es mittlerweile etwa 200 Motive, bei denen ich immer in der gleichen Technik von Hand Schablonen schneide und irgendein Motiv, mit dem ich mich gerade beschäftige, quasi bananenmäßig darstelle. Das ist mein bildhaftes Tagebuch. Man kann zu jedem Motiv erzählen, was gerade passiert ist. Ich habe zum Beispiel Anfang der 90er-Jahre ein Hotel in Berlin gestaltet. Da dieses direkt am Reichstag liegt, habe ich den Bundes-Bananenadler gemacht. Das ist ein wichtiges Motiv von mir, das hängt aktuell im ehemaligen Regierungsbunker in Bonn, wo erstmals eine Ausstellung genehmigt wurde. Gab es also nie die Überlegung, sich einer anderen Obstsorte zu widmen? Auf keinen Fall, nein. Die Banane ist schon eine Frucht, die zu einem deutschen Künstler Jahrgang 1960 gehört. Ich gehöre schon zu einer Generation, die gewissermaßen mit der Banane aufgewachsen ist. In den 60er-Jahren hatten wir wieder einen gewissen Wohlstand, die Industrienation Deutschland boomte und da gehörte die exotische Frucht als Wohlstandsgut dazu. Im Gegensatz zur DDR konnten wir uns alles importieren. Damals durfte Deutschland als einziges Land in Europa Bananen zollfrei einführen, dadurch waren die günstig und im Überfluss vorhanden. Das prägt ja auch ein Stück weit und ist sicher nicht unbedeutend auch für meine künstlerische Entwicklung. Gibt es denn mittlerweile auch eine „digitale Banane“ in irgendeiner Form? Die gibt es im Grunde genommen schon seit es den Computer gibt. Mit meinem ersten Computer habe ich die Spraybanane mit den ganzen Fotoshop-Filtern völlig verwandelt. Das hat einen als Künstler damals total fasziniert, was man mit einem Computer alles machen kann. Dann gab es noch die Überlegung, dass ich mir das Reisen zum Kunstort und die Arbeit dort sparen könnte, indem ich die Banane verleihe und der Kunstort sie digital auf seine Homepage stellt. Bei mir hat sich das aber irgendwie nicht durchgesetzt. Ich habe jede Banane bisher selbst, quasi analog, gesprüht, das gehört für mich dann schon dazu. Ich möchte den Ort, den ich auszeichne, auch auf jeden Fall sehen. Nervt es Sie, immer nur auf die Banane reduziert zu werden? Auf jeden Fall. Das wäre eine arge Reduzierung und da würde ich mich auch gegen wehren. Da hat jemand nicht richtig hingeguckt und die Schublade aufgemacht und zu schnell wieder zu. Es gibt so viele interessante Werkphasen von mir auch ohne die Spraybanane! Was erwartet die Besucher Ihrer Ausstellung „Schilderwald“, die ab Mai in Kirchheimbolanden zu sehen ist? Meine Ateliers waren immer auf alten Industriegeländen. Dort habe ich alte Materialien gesucht, darauf gesprüht und Schilder gesammelt. Diese Stücke werden als Schilderwald arrangiert. Das hat also nichts mit der Banane zu tun? Vielleicht sind ein paar Bananen dabei, aber das ist nicht das Wichtigste bei einer solchen Installation.  Man muss klarmachen, dass auch meine Arbeiten ohne Spraybananen sehenswert sind. Wie gesagt, mich nur auf die Banane zu reduzieren, dagegen wehre ich mich entschieden. Deshalb auch immer der Spruch von mir: Es ist eben nicht alles Banane.     Info

  • Präsentation der größten Spraybanane der Welt von Thomas Baumgärtel: Do 12.5., 15 Uhr, Hotel Braun, Uhlandstraße 1, 67292 Kirchheimbolanden
  • Ausstellung „Schilderwald“ von Thomas Baumgärtel: Fr 13.5. – Fr 27.5., täglich 16-18 Uhr und auf Anfrage, Kunstraum Holzmann, Bahnhofstraße 5, 67292 Kirchheimbolanden, Telefon: 0176 32143900; Eröffnung: Do 12.5., 18 Uhr  
  • Homepage Thomas Baumgärtel: www.bananensprayer.de
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