Rheinpfalz „Gute Manieren sind kein Luxus“

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Interview: „Vielen Dank für Ihren Anruf“, „Ja, gerne“. Es ist angenehm, mit Gerlind Hartwig zu telefonieren. Verwunderlich ist das nicht: Die 43-Jährige aus Kaiserslautern berät zu Umgangsformen und angemessenem Kleidungsstil. Ein Gespräch über die Bedeutung von Manieren.

Frau Hartwig, Sie sind der Ansicht, dass die Umgangsformen immer schlechter werden. Welche Indizien gibt es dafür?

Man merkt es daran, wie immer mehr Menschen kommunizieren. Sie denken oftmals nicht darüber nach, was sie wann und wie sagen. In der Schule meiner Kinder oder beim Spaziergang mit dem Hund etwa wird nicht mehr gegrüßt. Bitte und Danke scheinen für manche unaussprechliche Wörter zu sein. Älteren Menschen wird in Bussen kein Sitzplatz angeboten. Ich gehe natürlich mit einem anderen Blick durch die Welt und achte wohl mehr darauf, das gebe ich zu. Warum ist es so wichtig, auf den feinen Unterschied bei Manieren zu achten? Gute Manieren demonstrieren die Wertschätzung meines Gegenübers. Sie zeigen, dass ich ihn respektiere. Gute Manieren sind keine Luxusfrage, sondern sollen ganz praktisch das Miteinander vereinfachen. Wenn Sie sagen, dass die Umgangsformen immer schlechter werden – woran liegt das? Ich könnte mir vorstellen, dass sich viele Menschen wichtiger nehmen als ihre Umwelt. Entsprechend gedankenlos agieren sie. Es ist ihnen oft gar nicht bewusst, dass sie im Café laut telefonieren und den Nachbartisch stören. Ich merke aber auch, wie mich der Alltag mitnimmt – vor allem als Mutter von drei Kindern. Ich bin da auch nicht perfekt, niemand ist das. Können Sie ein Beispiel nennen? Der Grundschullehrer meines Sohnes wollte zum Beispiel explizit, dass die Schüler ihn siezen. Mir war gar nicht bewusst, dass mein Sohn ihn duzt. Sind mangelnde Umgangsformen auch ein Hinweis darauf, dass Menschen mit einem verdichteten Alltag überfordert sind? Teilweise. Wer gedanklich in seinem vollgestopften Tagesablauf gefangen ist, ist häufig weniger achtsam. Für ein Mindestmaß an Höflichkeit sollte dennoch Zeit sein. Können aber zu starre Regeln nicht ein Korsett sein? Ist es so entscheidend, ob das Messer jetzt rechts oder links neben dem Teller liegt? Da gebe ich Ihnen Recht. Das wertschätzende Miteinander steht im Vordergrund. Wie ich welche Umgangsformen anwende, hängt von der Situation ab. Im Wirtshaus bin ich in einer lockeren Atmosphäre, sollte trotzdem nicht schmatzen oder mit dem Messer herumfuchteln. In der gehobenen Gastronomie gelten strengere Regeln. Wenn ich diese beherrsche, fühle ich mich jedoch auch dort entspannt und wohl. Sie bieten auch Imageberatung an. Wie funktioniert das? Jeder Mensch hat verschiedene Images, etwa habe ich ein anderes als Mutter oder als Rednerin bei einer Podiumsdiskussion. Meine Grundwerte bleiben jedoch, und ich bin immer authentisch. Das Grundprinzip ist dasselbe: Ich sollte mich fragen, wie ich wirke und wie ich wirken will. Daraus erarbeite ich mit meinen Kunden ein stimmiges Konzept. Was ist bei der Wahl des richtigen Outfits zu beachten? Wichtig ist, dass die Kleidung, auch farblich, zum Anlass, zum Typen und zum Körperbau passt. Wir sollten nur zu uns passende Modetrends mitmachen. Auch die Kleidungsfarbe macht einiges aus. Wer sich streng in Schwarz mit Weiß kombiniert kleidet, strahlt mehr Autorität aus als beispielsweise in einem rosafarbenen Hemd oder Bluse. Anscheinend gibt es auch für Hochzeiten einen Knigge. Darf ich denn in einer anderen Farbe als Weiß heiraten? Im Standesamt gilt: Getragen wird, was gefällt. Es gibt Paare, die sich in Alltagskleidung trauen lassen. Und auch Paare, für die die standesamtliche Trauung etwas Besonderes ist. Für eine kirchliche Trauung empfehle ich der Braut ein Kleid in Weiß oder Creme. Dem Bräutigam einen schicken Anzug. Ebenso für die „Freie Trauung“. Hat sich etwas bei Small-Talk-Themen geändert? Die Themen sollten positiv besetzt sein. Die eigene Krankheitsgeschichte, Religion oder Politik sind weiterhin als Themen tabu. Neue Serie „Benimm Dich“ lautet der Titel einer Serie, die wir nächste Woche starten. Gerlind Hartwig wird in unregelmäßigen Abständen immer montags Tipps zu Umgangsformen und Outfit geben. Los geht es am Montag mit Anziehtipps für die Weihnachtsfeier der Firma.

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