Politik Wahl-Thema Verkehr: Vernetzter fahren

Baustelle Deutschland (2): Das Land wird immer mobiler, es werden aber kaum neue Straßen gebaut. Was müsste stattdessen passieren?

Ohne Auto können sich viele Menschen ihr Leben gar nicht mehr vorstellen. Mit Auto wird das Leben aber mitunter zur Qual: Staus, kaputte Straßen und Dauerbaustellen kosten Nerven. Um auch in Zukunft mobil zu sein, ist viel zu tun. Vor allem müssen die Verkehrsströme intelligent gelenkt werden. Denn das Straßennetz wächst kaum – im Gegensatz zur Anzahl der Fahrzeuge.

Es werden kaum neue Straßen gebaut

In den vergangenen Jahren ist viel passiert auf deutschen Straßen – nur eines nicht: Sie wurden nicht länger. Jedenfalls nicht wesentlich. 1995 gab es 228.900 Kilometer überörtliche Straßen, also Autobahnen, Bundes-, Landes- und Kreisstraßen zusammengenommen. Zwei Jahrzehnte später ist das Streckennetz 230.100 Kilometer lang. Es wuchs in dieser Zeit also nur um ein halbes Prozent. Trotzdem hat man als Autofahrer das Gefühl, dass in den vergangenen 20 Jahren an vielen Stellen gebaut wurde, dass man quasi andauernd in einen neuen Stau geriet, weil das Streckennetz erweitert wurde.

Straßen wurden nicht länger, aber breiter

Die Zahlen des Bundesverkehrsministeriums sind indes eindeutig. In den 0,5 Prozent Zuwachs sind zwar die Ortsumgehungen enthalten, auch die minimalen Zuwächse beim Autobahnnetz zählen dazu. Bedeutend länger wurde das Streckennetz nicht – dafür aber breiter, um es einmal salopp auszudrücken. Denn neben dem Erhalt der Straßen wurden in der Vergangenheit vor allem Millionen ausgegeben, um deren Aufnahmekapazität zu erhöhen. Mit anderen Worten: Die überörtlichen Magistralen bekamen zusätzliche Fahrstreifen, um der wachsenden Verkehrsströme Herr zu werden. Denn die Belastung der Straßen hat in einem Maße zugenommen, dass mancherorts der Stau längst zum täglichen Programmpunkt auf dem Weg zur Arbeit geworden ist.

Mehr Online-Versand, mehr Kleinlaster

Die stetig wachsende Fahrzeugflotte auf deutschen Straßen ist statistisch gut dokumentiert. Beispiel Lkw: Durchschnittlich fuhren 1995 an einem normalen Werktag 7400 Lastwagen und Omnibusse über deutsche Autobahnen. 20 Jahre später sind es 9120 – ein Plus von 23,3 Prozent. Diesen Zuwachs begründen Verkehrsexperten mit dem Wachstum der Wirtschaft. Brummt die Konjunktur, brummen auch die Lkw-Motoren. Hinzu kommen noch einige Sondereffekte, wie etwa die massenhafte Entwicklung des Online-Geschäfts. Eine Armada von Kleinlastern ist im Auftrag der Logistik-Branche unterwegs, um Pakete an die Haushalte auszuliefern. Und deren Anzahl wird in Zukunft noch zunehmen.

Von 15 auf 19 Millionen Pendler in zehn Jahren

Aber auch die moderne Arbeitswelt fordert ihren Tribut. Dies kann man an der Anzahl der Pendler ablesen. Waren vor zehn Jahren noch rund 15 Millionen Pendler zwischen zwei Gemeinden unterwegs, sind es heute fast 19 Millionen. Ein solches Plus macht sich im morgendlichen Berufsverkehr bemerkbar.

Bahn und Schiff für Wirtschaft weitgehend uninteressant

Und wie sieht die Zukunft aus? In den Prognosen des Verkehrsministeriums steigt der individuelle Pkw-Verkehr ebenso wie der Gütertransport auf der Straße. Bahn und Schiff sind für die Wirtschaft weitgehend uninteressant. Für die Verkehrspolitik haben solche Aussichten vor allem zwei Konsequenzen: Erstens müssen die vorhandenen Straßen und Brücken erhalten werden, zweitens muss es Anreize geben, zwischen eigenem Fahrzeug und öffentlichem Nahverkehr bequem wechseln zu können, Stichwort: vernetzter Verkehr. Schon jetzt fließen zwei Drittel der Mittel des Bundesverkehrswegeplans in die Sanierung der Verkehrsinfrastruktur, nur ein Drittel geht in den Neubau. Schwerpunkt ist die Beseitigung von Engpässen um Ballungsgebiete herum. Wie genau dort die Schadstoffbelastung gesenkt werden kann, ist noch eine völlig ungeklärte Frage.

Die Zukunft: Intelligenter Nahverkehr, Car-Sharing, bessere Radwege

Ob das Auto überhaupt noch eine Zukunft hat, davon sind selbst Autolobbyisten wie der ADAC nicht mehr vollends überzeugt: In den Städten werde das Auto „seine allein dominierende Stellung verlieren“, es werde aber im ländlichen Raum im Verbund mit einem intelligenten öffentlichen Nahverkehr weiterhin eine wichtige Rolle spielen. Benötigt würden demnach mehr Car-Sharing-Angebote, Leihradsysteme und eine bessere Rad-Infrastruktur. „Nutzen statt besitzen“ werde zur neuen Devise. Die Bauwirtschaft fordert dagegen von der Politik Planungssicherheit, also mehr Kontinuität bei der Verkehrswegefinanzierung. Das hat auch mit der Überlegung von Unternehmern zu tun, ob sie nun neue Fachkräfte suchen und einstellen sollen, oder ob die momentane gute Auftragslage nur eine Eintagsfliege ist.

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