Rheinpfalz Nix Barsch, Alter: Angelprojekt für junge Straffällige in Speyer

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Für das Angeln mit seinen Klienten hat Manuel de Crouppé eine Ausnahmegenehmigung der Fischereibehörde. Mit Auflagen: Abhaken beispielsweise darf nur er – wegen des Tierschutzes.

In Speyer gibt es ein Angelprojekt für junge Straffällige. Geduld und Frustrationstoleranz sollen dabei unter anderem trainiert werden. Werden sie auch – wenn mal wieder nichts beißt.

Es ist genau 15.09 Uhr, da kommt endlich Bewegung in die Sache respektive den Schwimmer mit Futterkörbchen. An Walters* Angel zuckt was, dem Zucken nach zu urteilen nicht bloß ein schnöder Weißfisch, o nein, mein Herr, o nein: Sieht vorneweg nach einem Barsch aus, wenn’s nicht gleich ein Wolfsbarsch ist, vielleicht sogar ein Tigerwels, wie man ihn selbst mal aus dem Altrhein gezogen hat, 1998 war das. Zweifuffzich lang, das Viech, hat stundenlang um jeden Zentimeter Leine gekämpft, ungelogen jetzt. Wie auch immer: Walter fuschelt mit der Angel, Manuel de Crouppé hastet die Böschung am neuen Speyerer Rheinhafen hinunter, Michael* bleibt im Schatten und reckt den Hals. Walter landet an: Gähnende Leere am Haken. Nix Barsch, Alter: Es waren bloß die Wellen des Schubkahns einer Kiesfirma. „Das gehört auch dazu“, sagt de Crouppé, der die Böschung inzwischen wieder hochgekraxelt ist, schwitzend und grinsend, „beim Angeln entwickelt man eine gewisse Frustrationstoleranz.“

Man geht mit jungen Straffälligen fischen

Insofern: Gut und didaktisch wertvoll, dass Walter gerade nichts gefangen hat. Für das Arbeitsprojekt „Junge Menschen im Aufwind“ (Juma) in Speyer hat de Crouppé, angehender Arbeitserzieher, ein Angelangebot auf die Beine respektive den Rutenhalter gestellt. Man geht mit jungen Straffälligen fischen, wie heuer am Rheinhafen gegenüber der Bootswerft Braun – mit jungen Menschen, denen Gericht oder Jugendhilfe das Ableisten von Arbeitsstunden auferlegt haben. Knapp 80 Klienten haben bei der Juma 2016 gearbeitet – auf Baustellen, beim Pflastern oder im Garten. Und wie man da zum pädagogischen Angeln kommt, drei Klienten haben bislang mitgefischt, ist vielleicht erst mal erklärungsbedürftig.

Geklautes iPad am nächsten Tag zurückgebracht

Das Angelprojekt „ist ursprünglich eher für Menschen mit Suchtproblemen konzipiert“, sagt de Crouppé, der die Idee aus der Therapiearbeit mit Alkoholikern übernommen hat. Ablenkung von der Sucht und den Gedanken an die Beschaffung des Suchtmittels sind ursprünglich wohl Ziel der Angeltherapie, dazu das Entwickeln von alternativen Freizeitmodellen. Und nicht zuletzt der Umgang mit dem Moment, an dem wieder einmal kein Weißfisch am Haken zappelt, vom Wolfsbarsch ganz zu schweigen: „Viele unserer Klienten haben eine sehr niedrige Frustrationsschwelle“, sagt de Crouppé. Und Frustrationstoleranz, die „braucht man schon beim Angeln“, sagt Michael, der seine 100 Arbeitsstunden inzwischen hinter sich hat: iPad in einem Café geklaut, „am nächsten Tag aber wieder hingebracht“, sagt er.

„Wie gehen Menschen mit ihrer Freizeit um?“

Michael ist passionierter Angler, oft am Speyerer Russenweiher. Es habe „viele Facetten“, das Fischen, sagt der 34-Jährige: „Die Freiheit, es ist ruhig“, dazu komme „das Competition-Mäßige“. Seine 100 Arbeitsstunden hat er keineswegs alle abgeangelt, als Bauhelfer, beim Einbauen von Fenstern oder im Gartenbau hat er vor allem gearbeitet. „Besser als Freiheitsstrafe“, sagt er, „da geh’ ich lieber schaffen.“ Nur Schaffen, bloße Zuchtrute, sind die Arbeits- oder Sozialstunden allerdings nicht – und auch deshalb steht de Crouppé mit Walter und Michael und bedauerlicherweise leerem Kescher am Rheinhafen: Die Arbeit für die Allgemeinheit soll auch der Prävention und der Resozialisierung junger Straffälliger dienen. Weshalb die Juma mit ihren Klienten beispielsweise versucht, haushalterische Basiskompetenzen zu entwickeln, strukturierte Tagesabläufe zu etablieren – oder schlicht die Frage stellt: „Wie gehen Menschen mit ihrer Freizeit um?“, so Irmgard Münch-Weinmann, Vorsitzende des Juma-Trägervereins Soziale Alternativen in der Bewährungshilfe Speyer.

In anderen Vereinen kaum noch möglich

2001 hat sich der Verein gegründet, der, wie andere Vereine in der Pfalz, gleichsam eine Schnittstelle zwischen Gerichten und Jugendhilfe auf der einen und der praktischen Umsetzung der gerichtlichen Auflagen auf der anderen darstellt. Unter anderem Anti-Aggressivitäts-Training oder Sport in der Bewährungshilfe organisiert der Verein – und hat sich mit der Juma eben auch sein eigenes Arbeitsprojekt geschaffen, in dem Arbeitsstunden abgeleistet werden können. Einer der Gründe für die Gründung: Eine fachliche, der Resozialisierung dienende Betreuung beim Ableisten der Sozialstunden sei „in anderen Vereinen oder der Stadtverwaltung kaum noch möglich“, sagt Münch-Weinmann. Das fachliche Thema „Frustrationsschwelle“ hat de Crouppé mit seinen Schützlingen heuer ja schon erschöpfend durchgenommen, wäre dann so weit abgehakt. Kommt irgendwann auch noch der Komplex „Erfolgserlebnis“? „Im Altrhein bei Waldsee haben wir beim letzten Mal einen Fisch nach dem anderen rausgezogen“, sagt de Crouppé, fast defensiv. War sicher an der Stelle, an der man damals den Tigerwels gefangen hat. Zweifuffzich, das Viech. Ungelogen. *Namen geändert

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Manuel de Crouppé.
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