Rheinpfalz Kommentar: Das Ende des Herumdrucksens

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In Sachen Türkei spricht Außenminister Gabriel Klartext. Endlich. Viel zu lang hat Angela Merkel geschwiegen, aus Angst, dass Despot Erdogan das Flüchtlingsabkommen aufkündigt.

Die Ansprache von Außenminister Sigmar Gabriel, in der er eine härtere Gangart gegenüber der Türkei ankündigte, und der gestrige Brief an die in Deutschland lebenden Türken sind kein pompöser Showdown und auch kein billiges Wahlkampfmanöver. Die deutliche Sprache war überfällig. Gabriel, dem viele ein impulsives Temperament nachsagen, hat sich und das Land ehrlich gemacht. Er hat das klägliche Herumdrucksen, dessen sich Bundeskanzlerin Angela Merkel seit mehr als einem Jahr befleißigt, beendet und das gesagt, was viele Bürger schon lange denken. Es gibt eine rote Linie, eine Grenze der Selbstachtung, die jede Regierung im zwischenstaatlichen Verkehr zu beachten hat: Männer und Frauen, die einen Personalausweis oder einen Reisepass der Bundesrepublik Deutschland bei sich tragen und die sich keiner Straftat in ihrem Gastland schuldig gemacht haben, haben einen Anspruch auf Schutz und Fürsorge durch die Behörden ihres Staates. In der Türkei sitzt nicht nur der Menschenrechtler Peter Steudtner hinter Gittern. Schon seit fast einem halben Jahr wird der Journalist Deniz Yücel gefangen gehalten, insgesamt sind neun Deutsche inhaftiert, unter fadenscheinigen Anklagepunkten. Und was tut die Kanzlerin? Hört in der Elbphilharmonie mit Erdogan „Freude, schöner Götterfunken“. Für Merkel sind die Häftlinge, immerhin Bürger ihres Landes, offenbar nicht so wichtig und bedeutsam wie das Flüchtlingsabkommen, mit dem die Europäer ihr Versagen in der Migrationspolitik zu bemänteln suchen. Ein Rechtsstaat wie Deutschland darf sich Geiselnahmen seiner Bürger nicht bieten lassen. Die klaren Worte des Außenministers wirken wie ein reinigendes Gewitter. Erdogan, der redet und handelt wie der Anführer einer Straßengang, reagiert nicht auf Herumdrucksen oder auf Appelle an seinen guten Willen. Mit den Reisehinweisen, mehr noch mit einem möglichen Ende von EU-Beihilfen und Investitionskrediten, hat Gabriel gezeigt, wo der Hammer hängt. Jetzt weiß Erdogan, dass er, sollte er seine Erpressungsversuche fortsetzen, einen Preis wird zahlen müssen. Und das ist gut so.

Der Menschenrechtler Peter Steudtner ist einer von neun Deutschen, die wegen angeblicher Terrorunterstützung in der Türkei inhaf
Der Menschenrechtler Peter Steudtner ist einer von neun Deutschen, die wegen angeblicher Terrorunterstützung in der Türkei inhaftiert sind.
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