Politik Klimawandel: Der Alltag wird sich verändern

Deutsche Energielandschaft: Im niedersächsischen Mehrum stehen Windräder und ein Steinkohlekraftwerk nebeneinander. Darüber die
Deutsche Energielandschaft: Im niedersächsischen Mehrum stehen Windräder und ein Steinkohlekraftwerk nebeneinander. Darüber die Sonne.

Baustelle Deutschland (11): Die Folgen der Erderwärmung machen den Wählern Angst. Alle größeren Parteien mit Ausnahme der AfD sprechen sich für Klimaschutz aus.

Was sind die größten Ängste der Deutschen vor der Bundestagswahl? Die Antwort auf diese, Ende Juli an 1000 repräsentativ ausgewählte Bürger in Deutschland gestellte Frage hat selbst die Meinungsforscher von Emnid überrascht: die Veränderung des Weltklimas. Nun sollte man solche Umfragen nicht überbewerten. Sie sind Momentaufnahmen, die sich Tage später wieder geändert haben können, etwa unter dem Eindruck eines Terroranschlags. Dennoch lässt sich aus der Umfrage ableiten, dass das Thema „Klimaschutz“ durchaus die Entscheidung für oder gegen eine Partei beeinflussen kann. Dies umso mehr, als Klimaschutz nicht nur bedeutet, dass ein paar Windräder und Solarpaneele mehr aufgestellt werden. Klimarelevante Gase, die es einzudämmen gilt, entstehen beim Autofahren genauso wie in der Landwirtschaft (intensive Tierhaltung). Kurz: Wer es ernst meint mit Klimaschutz, hat es immer mit Veränderungen beim Lebensstil zu tun. Alle Bereiche des Alltags sind betroffen. Auch stellen sich Fragen wie: Wo entstehen neue Arbeitsplätze? Wo verschwinden Jobs? Nimmt man die Klimaschutzfrage ernst (und dazu hat sich Deutschland international verpflichtet), gibt sie sozusagen den Rahmen vor, in dem viele politische Entscheidungen gefällt werden. Dazu zählt auch die Energiewende. Dieser seit Jahren laufende Prozess ist ja nicht nur mit dem Ausstieg aus der Atomkraft verzahnt, sondern auch mit dem Umstieg auf regenerative Energien. Aus Klimaschutzgründen immer mehr in den Fokus gerät dabei die Zukunft der Kohle. Nirgends entstehen bei der Stromgewinnung so viele Treibhausgase wie beim Verbrennen von Stein- und Braunkohle. Kommt es also demnächst zu einem Kohle-Ausstiegsplan, ähnlich wie im Falle der Atomenergie? Eigentlich führt daran kein Weg vorbei. Alle größeren Parteien – mit Ausnahme der AfD – betonen schließlich, dass sie hinter den Zielen des 2015 ausgehandelten Pariser Weltklimavertrags stünden. Das heißt: Es soll alles versucht werden, damit die weltweite Durchschnittstemperatur bis Ende des Jahrhunderts nicht um mehr als zwei Grad Celsius gegenüber der vorindustriellen Zeit ansteigt („nur“ 1,5 Grad wären allerdings noch besser). Doch nirgendwo auf der Welt liegt der Anteil von Strom, der aus Braunkohle erzeugt wird, höher als in Deutschland. Um die langfristigen Klimaschutzziele zu erreichen, hat sich auch Deutschland zeitliche Wegmarken gesetzt. Die konkreteste Verpflichtung bezieht sich auf das Zieljahr 2020. Also auf einen Zeitpunkt, der nur drei Jahre entfernt ist. Deutschland, aufmerksam beäugt vom Rest der Welt, hat für sich festgelegt, dass es seinen Treibhausgasausstoß bis 2020 um 40 Prozent gegenüber dem Basisjahr 1990 reduzieren will. Doch es zeichnet sich ab, dass die Bundesrepublik das Ziel verfehlt. Von den versprochenen 40 Prozent sind gerade einmal 28 erreicht. In der Tendenz steigt der Ausstoß des wichtigsten Klimagases Kohlendioxid (CO2) sogar. Wollte man das Klimaschutzziel 2020, das die Bundesregierung immer wieder bekräftigt hat, erreichen, müsste die neue Regierung so etwas wie ein „Sofortprogramm Klimaschutz 2020“ auflegen. Ein besonderes Sorgenkind ist dabei der Verkehr. Im Gegensatz zu vielen anderen Bereichen (der Industrie etwa) steigen die Emissionen hier unvermindert an. Bisher lautete ein Rezept zur Lösung des Verkehrproblems: Deutsche kauft mehr Diesel! Denn der Selbstzünder verbraucht, verglichen mit Benzinern, weniger Treibstoff je Kilometer (damit wird weniger CO2 in die Luft geblasen). Doch dann flogen die Manipulationen der Abgaswerte bei Dieselautos auf. Ein Widerspruch wurde deutlich: Eine gute Verbrennung mit wenig Ruß (Feinstaub!) erfordert im Dieselmotor hohe Temperaturen – was jedoch mehr Stickoxide freisetzt. Sollen die gesundheitsschädlichen Stickoxide eingefangen werden, müssen die technischen Vorrichtungen immer aufwendiger ausfallen – was aber die Autos verteuert. Deshalb ist jetzt die Diskussion um elektrisch betriebene Autos erneut und mit Vehemenz losgebrochen. Doch einfach umsteigen – das geht nicht. Es fehlt die Infrastruktur, es fehlen die E-Autos. Auch ist ungewiss, welche Technologie sich am Ende durchsetzen wird. Reine Batterieautos? Autos, die Wasserstoff tanken und an Bord in elektrischen Strom umwandeln? Die künftige Regierung wird sich entscheiden müssen, ob sie zum Durchbruch der E-Mobilität Anreize und gesetzliche Leitplanken setzt – oder von oben her Quoten verordnet. Doch zu den Wegmarken, die für 2020 gelten und die absehbar krachend verfehlt werden, gehört eben auch diese: Bis 2020 sollten eigentlich eine Million E-Autos auf Deutschlands Straßen fahren. Aktuell sind es rund 35.000 rein batteriegetriebene Fahrzeuge, dazu gut 20.000 Hybrid-Fahrzeuge. Ein schneller Umstieg funktioniert auch deswegen nicht, weil E-Autos nur dann sinnvoll sind, wenn der getankte Strom aus erneuerbaren Quellen wie Wind oder Sonne stammt. Stammt der benötigte Strom aus Kohlekraftwerken, wäre mit Blick auf den Klimaschutz überhaupt nichts gewonnen. Damit sind wir wieder bei der Energiewende. Was für den Verkehr gilt, trifft auch aufs Heizen zu. In diesem Sektor steigt der Druck, statt Heizöl und Gas mehr „grünen Strom“ oder andere regenerative Energieformen einzusetzen. Am effektivsten wäre es, eine Abgabe auf jede verursachte Tonne CO2 zu erheben. Egal, ob bei der Herstellung von Strom, im Verkehr, beim Heizen oder der Produktion von Gütern. Dann könnte man sich sehr kompliziert gewordene Vorgaben wie das Erneuerbare-Energien-Gesetz sparen. Doch so etwas ist nicht im nationalen Alleingang durchsetzbar, sondern nur im größeren Rahmen. Der größte Rahmen ist das Pariser Weltklimaabkommen, das seiner Anlage nach ständig von den Unterzeichnerstaaten weiterentwickelt werden soll.

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