Sport Interview: „Zu denken: Hoffentlich passiert jetzt nichts, ist der falsche Weg“

Herr Mickler, die Rhein-Neckar-Löwen nehmen am Wochenende zum zehnten Mal am Pokal-Finalturnier teil, der Klub kehrte bislang stets ohne Titel aus Hamburg zurück. Wie groß ist der Rucksack für die Spieler, wenn sie ins Flugzeug steigen?

Das lässt sich nicht genau beurteilen, das hängt davon ab, wie viele Spieler schon bei einigen Final-Four-Turnieren dabei waren. Der zweite Punkt ist die Tatsache, dass es nun eine andere Ausgangslage gibt … … auch wenn der Gegner wieder SG Flensburg-Handewitt heißt? Genau. Es geht darum, die Aufgabe konzentriert anzugehen und zu betonen, dass eine neue realistische Chance gibt. Was war, ist vergangen, das können die Spieler sowieso nicht mehr beeinflussen. Das muss man ihnen klar machen. Kann man als Spieler der Löwen die Vergangenheit wirklich ausblenden? Ja, der Trainer kann das. Er muss darüber überhaupt nicht reden. Er kann den Spielern Videomaterial zeigen, auf denen der Gegner schon geschlagen wurde. Er muss nicht die negativen Sachen herauskehren. Also ist der Trainer in dieser Situation besonders gefordert? Ja, der Trainer ist besonders gefordert. Er muss seiner Mannschaft einen guten taktischen Plan vorlegen, er muss ihr zeigen, wie sie erfolgreich sein kann. Er muss ihr zeigen, wie sie ihre Stärke einsetzen kann. Und wenn es kurz vor Schluss 31:31 steht? Kommt dann alles wieder auf? Auch da geht es nur darum, Lösungsmöglichkeiten zu finden. Und das trainieren die Handballer ja auch – in einer gewissen Zeit bestimmte Aufgaben zu erfüllen. Zu denken: Hoffentlich geht jetzt nichts schief, ist der falsche Weg. Wenn ich Ihnen sage, denken Sie jetzt nicht an einen rosaroten Elefanten, dann denken Sie gerade daran. Was halten Sie davon, vor dem Spiel Abläufe zu ändern? Zug statt Flugzeug, ein anderes Hotel, Pizza statt Pasta? Das sind alles Dinge, die mich nachdenklich machen. Denn dadurch löse ich ja bei der Mannschaft genau den Reflex aus. Und den möchte ich ja nicht haben. Da ist auch das Team um das Team gefordert, um zu erkennen, was notwendig ist. Kurzum: Das sieht nach einer spannenden Geschichte am Wochenende aus?! Ja, auf jeden Fall. Noch einmal: Die Mannschaft muss begreifen, dass sich an den Grundvoraussetzungen nichts ändert: Das Spiel dauert 60 Minuten, es ist in einer Halle, es gibt einen taktischen Plan. Und den gilt es umzusetzen. Es ist verständlich, dass die Medien die Vergangenheit thematisieren, aber Spieler und Trainer können schon sagen: Dazu äußern wir uns nicht. Zur Person Werner Mickler (64) hat bis 1996 zehn Jahre am Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln gearbeitet. Er ist seitdem als selbstständiger Sportpsychologe tätig, zum Beispiel im Olympiastützpunkt Köln und bei einigen Sportverbänden, darunter dem DFB. | Interview: Udo Schöpfer

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