Rheinpfalz Internet-Portal will Nachbarn zusammenbringen

Mag der Mensch auch eigen sein, im Grunde wohnt er ungern allein. Auch wenn er glaubt, dass mancher Nachbar einen Vogel hat, der
Mag der Mensch auch eigen sein, im Grunde wohnt er ungern allein. Auch wenn er glaubt, dass mancher Nachbar einen Vogel hat, der gemeinsame Lebensmittelpunkt verbindet.

Die Blumen gießen, Pakete annehmen, den Rasenmäher leihen – eine funktionierende Nachbarschaft kann das Leben

sehr erleichtern. Sofern sie funktioniert. Ina Brunk, Mitgründerin des Portals nebenan.de, möchte dafür sorgen, dass Menschen, die nebeneinander wohnen, wieder zusammenfinden.

Frau Brunk, die Menschen nebenan können sehr anstrengend sein, glücklicherweise aber auch eine Freude. Was machen Sie so für die Nachbarn: Verleihen Sie Ihr Bügeleisen und gehen mit der Schildkröte Gassi?

Es sind eher die klassischen Dinge, die man so kennt, Blumengießen etwa. Neulich habe ich mir eine Stichsäge ausgeliehen. Vor Kurzem ist ein Nachbar zum Wertstoffhof gefahren und hat das Zeug von einigen anderen, die kein Auto haben, gleich mitgenommen. Das klingt unspektakulär. Ja, ist aber für jeden Einzelnen in der jeweiligen Situation eine große Hilfe. Mehr muss es ja auch gar nicht sein, was Nachbarschaft ausmacht. Wertvoll ist sie trotzdem. Wie haben Sie Anschluss an die Nachbarn gefunden? Ich bin in einem ganz kleinen Dorf aufgewachsen, da hatte sich das automatisch ergeben. Später bin ich nach Berlin gezogen und habe festgestellt, dass man seine Nachbarn selten kennt. Spätestens im Nachbarhaus hört das auf. Die näheren Kontakte haben sich dann tatsächlich über das Internet ergeben. Sie haben online zu Ihren Nachbarn gefunden? Erscheint mir ein wenig paradox, dass das Kennenlernen digital leichter sein soll als im Treppenhaus oder an der Straßenecke. Meinen Sie? Ich finde, dass sich Menschen eher online begegnen, ist mittlerweile normal. Wer geht schon rüber zum Nachbarn und einfach so? Online tun sich die Menschen leichter. Auf unserer Plattform kann man ein unverbindliches Signal an die Nachbarschaft schicken: Hallo, hier bin ich, ich bin bereit, euch kennenzulernen. Heutzutage ist man mit der ganzen Welt vernetzt, aber das direkte Umfeld verliert man aus den Augen. Wir nutzen bei nebenan.de das Internet, um wieder Begegnungen im echten Leben möglich zu machen. In Hameln war ein Mann so überzeugt von der Idee, dass er mit Handzetteln für nebenan.de warb. Da kam die Polizei und sagte: Ei, was ist denn das? Die vermuteten Betrüger. Leider hatten die uns nicht angerufen, dann hätte sich alles schnell geklärt. Der Mann hatte sich bei uns registriert, er wohnte wirklich da und suchte einfach nur Mitstreiter, um auf unserer Plattform eine Nachbarschaft eröffnen zu können. Das geht nämlich erst, wenn sich eine Handvoll Interessierte zusammentun, sonst ist das ja sinnlos. Die entsprechenden Einladungszettel kann man sich bei uns herunterladen. Wofür braucht man die? Das Problem ist doch: Wie informiere ich andere davon, dass es so ein Angebot wie nebenan.de gibt? Unsere Besonderheit ist ja, dass sich über uns nicht Freunde vernetzen oder Kollegen, sondern Menschen, die sich meist nicht kennen und erst mal wenig miteinander teilen außer dem Wohnort. Wir bringen Fremde zusammen und wollen, dass daraus wieder Nachbarn werden. Wie bei dem Ehepaar aus Dresden. Sie ist fast blind, ihr Mann, der sich um sie kümmerte, wurde krank. Da bat sie um Hilfe bei den Nachbarn. Wer würde mal mit dem Hund rausgehen oder einige Besorgungen machen? Ein jüngeres Paar hat sich gemeldet, daraus ist wirklich etwas Tieferes entstanden. Das ist toll. Ganz kurz: Wie funktioniert Ihre Nachbarschaftsvermittlung? Nachbarschaften werden nur auf Verlangen eröffnet, heißt also, jemand muss sich aktiv darum bemühen. Das geht, indem man unsere Seite aufruft. Dann kommt eine Postleitzahlensuche, die anzeigt, ob es in meiner Gegend nicht vielleicht schon eine aktive Nachbarschaft gibt, an die ich andocken kann. Danach muss ich mich mit Namen und Adresse registrieren. Die Angaben werden von uns überprüft, denn die Basis von Nachbarschaft ist Vertrauen. Gibt es noch keine Nachbarschaft, kann ich einen Vorschlag machen: Meine Nachbarschaft heißt soundso und soll die Grenzen soundso haben. Das legen nicht wir fest, die Menschen vor Ort müssen sich damit identifizieren. Wie groß ist so eine Nachbarschaft: die Lindenstraße, das Bahnhofsviertel, ganz Kleindotterlesbach? Die Erfahrung hat gezeigt, dass eine Straße zu klein ist, aber ein Viertel oft zu groß. Wir empfehlen so sieben bis zehn Straßenzüge oder so um die 4000 Haushalte. So eine Größenordnung ist natürlich eher in Großstädten sinnvoll. Auf dem Land ist das anders. Da kann auch ein ganzes Dorf eine einzige Nachbarschaft sein. Ist Ihr Angebot eher in Großstädten gefragt? Da ist das Leben ja anonymer und die Kontakte sind oft weniger intensiv als auf dem Land. Unsere Keimzelle ist Berlin, mittlerweile sind wir in den 200 größten Städten vertreten. In dem Sinn ist das Interesse in Ballungsgebieten sicher größer. Aber es geht immer weiter runter mit den Siedlungsgrößen. Das kann man in der Pfalz sehen. In Ludwigshafen und Kaiserslautern gibt es etliche Nachbarschaften. Dann dünnt es aus. In Germersheim, Speyer, Neustadt, Zweibrücken und im Rhein-Pfalz-Kreis tut sich was, Landau oder Kusel hingegen sind noch weiße Flecken auf der Landkarte. Für Landau gibt es Anmeldungen, aber leider noch nicht genug. Da haben wir den Fall, dass wir eben eine Mindestteilnehmerzahl brauchen. Was können die anderen Nachbarn von mir sehen, sobald ich mich registriert habe? Erst mal nur Name und Straße, keine Hausnummer. Das ist sozusagen die Basisinfo. Alle übrigen Angaben, beispielsweise zu persönlichen Interessen – ich gehe gerne laufen – oder Fähigkeiten – ich bin ein guter Heimwerker – sind freiwillig. Ich möchte betonen, dass unser Forum ein geschützter Raum ist. Es können wirklich nur Nachbarn mitmachen. Insofern herrscht dort auch eine sehr umgängliche Atmosphäre. Ihr Ziel ist kein geringeres, als ein lebendiges Gemeinwesen zu fördern. Das klingt ehrenvoll. Aber wie verdient man damit Geld? Ursprünglich hatten wir an ein gemeinnütziges Projekt gedacht, finanziert durch Spenden. Unser jetziger Plan ist, dass Privatpersonen sowie soziale und kulturelle Einrichtungen an der Nachbarschaft kostenlos teilnehmen. In einem zweiten Schritt sollen ansässige Gewerbebetriebe und Dienstleistungen die Möglichkeit haben, Teil der Nachbarschaft zu sein. Das würde dann einen Beitrag kosten, aber die lokale Wirtschaft stärken. Es gibt ja schon etliche Initiativen in dieser Richtung: Tauschringe, Nachbarschaftshilfen, Stadtteilvereine. Sind sie keine Konkurrenz? Nein, wir sehen uns als Ergänzung. Nachbarschaftsvereine zum Beispiel sind ganz wichtig für die Mitwirkung der Bewohner an bestimmten Prozessen, aber dieses Engagement geht ja oft viel tiefer als eine Unterstützung mal eben über den Gartenzaun. Außerdem will ja nicht jeder gleich in einen Verein gehen. Und Tauschringe oder Food-Sharing-Gruppen finden bei uns neue Mitstreiter.

Die Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsmanagerin Ina Brunk, 34, startete Ende 2015 mit fünf weiteren jungen Berlinern das
Die Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsmanagerin Ina Brunk, 34, startete Ende 2015 mit fünf weiteren jungen Berlinern das Portal nebenan.de. Mittlerweile hat die Plattform 40 Mitarbeiter, mehr als 3000 Nachbarschaften und mehr als 500.000 registrierte Nutzer. Sie ist damit Marktführer in Deutschland. Ein Mitbewerber ist nextdoor.de.
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