Neustadt Historiker: "Deutsche Weinkönigin" war Wortschöpfung der NSDAP

Christof Krieger vertritt die These, dass die Etablierung einer „Deutschen Weinkönigin“ unmittelbar auf den NS-Funktionär Joseph Bürckel zurückgeht.

Das sei ein Mittel  gewesen, um „seinen Gau“ als Weinbaugebiet hervorzuheben. Am Mittwoch kommt der Historiker aus Trier nach Neustadt. Herr Krieger, Ihre These ist, dass die Deutsche Weinkönigin sozusagen ein Produkt des Nazi-Funktionärs Josef Bürckel war. Allgemein gilt der Verleger Daniel Meininger als „Erfinder“ der Weinkönigin. Unbestritten ist doch aber, dass Meininger 1931 die Idee zur Krönung einer pfälzischen Weinhoheit hatte, oder? Grundsätzlich möchte ich die These, dass Daniel Meininger Urheber der Weinköniginnen-Idee gewesen ist, nicht in Frage stellen, zumal daran ja auch niemand anderer Anspruch erhebt. Einen im wissenschaftlichen Sinne stichhaltigen Quellenbeleg hierzu, etwa im Protokollbuch des Neustadter Verkehrsvereins, dessen Vorsitzender Meininger zu dieser Zeit war, gibt es allerdings nicht. Definitiv falsch ist hingegen die häufig zu lesende Behauptung, dass Meininger die erste Weinkönigin quasi im Alleingang bestimmt habe, da es hierzu noch keine Regeln gegeben hätte. So war sogar eigens ein fünfköpfiger Wahlausschuss eingesetzt worden, dem Meininger nicht einmal angehörte. Wann kam denn zum ersten Mal die Bezeichnung „Deutsche Weinkönigin“ auf? Die Bezeichnung „Deutsche Weinkönigin“ ist explizit eine Wortschöpfung der „NSZ-Rheinfront“, dem offiziellen NSDAP-Parteiblatt des Gaues Saarpfalz, dessen Herausgeber niemand anderer als Joseph Bürckel war: Während selbst im Protokollbuch des Verkehrsvereins Neustadt und auch in den übrigen Lokalzeitungen bis 1936 stets von der „Pfälzischen Weinkönigin“ gesprochen wurde, hatte die Nazi-Zeitung diesen Titel bereits im Oktober 1934 im Alleingang propagandawirksam aufgewertet. War die Pfälzische Weinkönigin nicht einfach deshalb gleichzeitig Deutsche Weinkönigin, weil es bis 1949 ansonsten keine Weinhoheiten gab? Das stimmt so nicht. Nur einen Tag, nachdem die vorgeblich „Deutsche Weinkönigin“ am 20. Oktober 1935 Gauleiter Bürckel anlässlich der Eröffnung der „Deutschen Weinstraße“ in Neustadt begrüßt hatte – das war übrigens die erste Amtshandlung einer pfälzischen Weinmajestät außerhalb des Krönungsabends überhaupt – fand in der Reichshauptstadt Berlin ein großer Winzerumzug durch das Brandenburger Tor statt. Dabei gab es auch einen Festwagen der Weinkönigin, auf dem allerdings eine junge Winzerin aus dem Moselort Mehring von den Massen umjubelt wurde ... Ihre Thesen zur Deutschen Weinkönigin knüpfen an die zur Deutschen Weinstraße an. Bei beiden Themen spielte ihrer Meinung nach Gauleiter Joseph Bürckel die entscheidende Rolle. Rein sprachlich tat er offenbar so, als gebe es außer der Pfalz keine anderen Weinbaugebiete. Wie waren denn die Reaktionen in den anderen Weinbaugebieten, beispielsweise an der Mosel? Ich habe ja schon 2015 anlässlich des 80-jährigen Jubiläums gesagt, dass die Gründung der „Deutschen Weinstraße“ vor allem Ergebnis im erbitterten Wettstreit der Gauleiter war, wer über die bedeutendste Weinregion des Reiches verfügte. Nachdem es hierbei Bürckel gelungen war, eine rein innerpfälzische Wegstrecke als „Deutsche Weinstraße“ zu deklarieren, schien es nur folgerichtig, die „Pfälzische Weinkönigin“ ebenfalls als „Deutsche“ umzuetikettieren. Es ist kein Zufall, dass Bürckels Dauerrivale Gustav Simon vom Gau Koblenz-Trier daraufhin im Herbst 1936 ebenfalls die Proklamation von Weinköniginnen für alle Anbaugebiete seines Parteibezirks anordnete. In den 50er Jahren wurde sowohl über den Begriff „Deutsche Weinstraße“ diskutiert als auch über den Ort der Krönung der Deutschen Weinkönigin. Seit 1950 gibt es ja eine Wahl, an der Vertreterinnen aller Weinbaugebiete teilnehmen. Der Krönungsort ist bekanntermaßen aber in der Regel noch immer Neustadt. Wieso hat sich das denn gehalten? Grund hierfür ist schlichtweg die Tatsache, dass man in Neustadt nach dem Krieg sehr geschickt agierte. Als sich abzeichnete, dass die Provokation, die Pfälzische Weinmajestät zugleich als „Deutsche Weinkönigin“ zu bezeichnen, gegen den Widerstand der übrigen deutschen Weinanbaugebiete nicht mehr durchsetzbar war, wartete man nicht ab, bis auf anderer Ebene neue Wahlmodalitäten festgelegt wurden, sondern lud kurzerhand die übrigen Gebiete dazu ein, bei der nächsten Wahl eigene Kandidatinnen zu entsenden. In gewissem Sinne wurde die „Deutsche Weinkönigin“ – im Gegensatz zur „Deutschen Weinstraße“ – auf diese Weise „entnazifiziert“, indem die Bezeichnung auf ihre rein geografische Bedeutung zurückgeführt wurde. Sie forschen nun seit vielen Jahren an diesem Aspekt Weinwerbung/Bürckel. Wie ist es denn insgesamt um die Bürckel-Forschung bestellt? Die Pfalz – und mit ihr die schillernde Figur Bürckels – ist für das Dritte Reich sicherlich eine der best erforschten Regionen Deutschlands, vor allem, wenn man es mit dem Nachbargau Koblenz-Trier vergleicht, über den es bis heute keine einzige zusammenfassende Darstellung gibt. Allerdings habe ich den Eindruck, dass sich trotz aller Auseinandersetzung gerade auch mit den dunklen Seiten von Bürckels Persönlichkeit, in der Pfalz doch noch etwas von der Hochachtung für das, was dieser Mann für seine Heimatregion getan hat, bis heute gehalten hat. Insbesondere eine unbefangene wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Erbe Bürckels – seiner „Deutschen Weinstraße“ – scheint so immer noch schwierig. Nachdem ich meine diesbezüglichen Thesen in Neustadt vor eineinhalb Jahren erstmals öffentlich vorstellte, sind alle meine Bemühungen, den Vortrag an einem anderen Ort der Weinstraße zu wiederholen, bis heute gescheitert. Termin Am Mittwoch, 22. März, stellt Christof Krieger seine Thesen zur „Deutschen Weinkönigin“ im Neustadter Casimirianum in der Ludwigstraße vor. Beginn ist um 19.15 Uhr. Veranstalter ist die Bezirksgruppe Neustadt des Historischen Vereins der Pfalz.

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