Politik Die Liberalen wollen nicht länger nur zuschauen

Christian Lindner hier, Christian Lindner dort – der Spitzenkandidat der FDP blickt auf Großplakaten, in Talkshows und in zahllosen Internet-Einträgen dem Wähler entgegen. Die FDP setzt voll und ganz auf die Strahlkraft des forschen 38-Jährigen. Der omnipräsente Vorsitzende hat es geschafft, der Partei eine Perspektive für die Rückkehr in den Bundestag zu geben.

Unter Lindner sind die „Freien Demokraten“, wie die Liberalen nach seinem Willen jetzt heißen, ihrem Ziel sehr nahegekommen. Lindner wird die FDP aller Wahrscheinlichkeit nach in den Bundestag zurückführen, nach vier Jahren Pause. In dieser Zeit außerhalb des Bundestages und nach der Ära von Guido Westerwelle hat sich personell viel geändert. Beibehalten hat die FDP indes ihre marktwirtschaftliche Programmatik. Wortreich kann Lindner die Gängelung der Unternehmer durch Bürokratie und Steuern beklagen und seinen Lieblingsgegnern, den Grünen, vorwerfen, nichts von Ökonomie zu verstehen. Wer das Wahlprogramm der Partei liest, erfährt aber auch viel über die Grundzüge des Liberalismus. So setzt die FDP auf die Eigeninitiative der Menschen und einen unkomplizierten Staat. Wie nur wenige andere Partien wirft die FDP einen optimistischen Blick in die Zukunft. Für Christian Lindner ist Deutschland ein Land „voller Kraft und Gestaltungswillen“, das „platzt vor Ideen“. Es gelte, die Möglichkeiten beim Schopfe zu packen, wenn man sich von Mut anstatt von Verzagtheit leiten lasse, lautet eine Grundthese der Partei. Gleichwohl verkennt die FDP nicht, dass Deutschland vor großen Herausforderungen steht. Diese sieht die Partei in der Digitalisierung, der Bildung und dem Bürokratieabbau. Auffällig ist, wie ausführlich die FDP das Thema Bildung behandelt, obwohl der Bundestag wegen der Zuständigkeit der Länder für die Bildung äußerst wenig in diesem Bereich bewirken kann. Gleichwohl formuliert die FDP ein ehrgeiziges Ziel: Deutschland soll an die Spitze der Bildungsnationen geführt werden. Für die Partei ist diese Anstrengung vergleichbar mit dem „Mondfahrprojekt“ der USA unter Präsident John F. Kennedy. Die Palette an Vorschlägen für eine bessere Bildung ist bei der FDP groß: Neben mehr Geld seien auch einheitlich gestellte Abschlussprüfungen nötig und öffentlich einsehbare Qualitätsanalysen von Schulen und Lehrern. Schulen sollen selbst über ihren Haushalt, ihr Profil und ihr Personal entscheiden können. Die FDP verspricht eine Unterrichtsgarantie, wenn ein Lehrer ausfällt. Das Konzept „Schreiben wie man spricht“, lehnt die FDP ab. Die Anzahl der Stipendien für Studenten soll von fünf Prozent auf 15 Prozent erhöht werden. Hochschulen sollen Studiengebühren nach dem Abschluss einkommensabhängig erheben dürfen. Die FDP wendet sich gegen eine „kompromisslose“ Inklusion. Gemeinsamer Unterricht in Regelschulen dürfe nur erteilt werden, wenn genügend Fachpersonal vorhanden sei. Flüchtlinge sollen ein sofortiges Teilnahmerecht am Unterricht bekommen. Mit ihrem Versprechen, pro Schüler 1000 Euro für Technik und digitale Geräte auszugeben, verknüpft die FDP ihre Positionen in der Bildungspolitik mit ihrer Vorstellung von einer digitalen Welt. Bei diesem Thema geht es der FDP nicht nur um schnelle Internetanschlüsse und bürgernahe elektronische Verwaltung. Es geht ihr auch um eine auf die Möglichkeiten des Digitalen ausgerichtete Wirtschaftspolitik. Daher lautet eine Forderung auch, einen digitalen Binnenmarkt für Europa zu schaffen. Ein Digitalministerium soll das Kompetenzgerangel unter den Ressorts bei der wichtigen Querschnittsaufgabe beenden. „Die Digitalisierung ist eine gewaltige Chance für mehr Wohlstand, selbstbestimmteres Arbeiten und einen unkomplizierteren Staat“, heißt es im Wahlprogramm. Auch wenn die FDP den Ruf als reine „Steuersenkungspartei“ losgeworden ist, spielt das Thema Finanzen gleichwohl eine Rolle. So sollen die Bürger um 30 Milliarden Euro entlastet werden. Aus dem Wahlprogramm geht jedoch nicht hervor, ob diese Entlastung pro Jahr oder für die gesamte Legislaturperiode bis 2021 gelten soll. Dem liberalen Weltbild der FDP entspricht auch ihre Rentenpolitik. Die Partei sieht demnach keine Altersbegrenzung für den Renteneintritt mehr vor. „Ab 60 entscheidet jeder selbst, wann er in Rente geht“ – solange die Rente über dem Grundsicherungsniveau liegt. In der Flüchtlingspolitik, die keinen großen Raum im Wahlprogramm einnimmt, hat zuletzt Parteichef Lindner in einem „Bild“-Interview deutliche Worte gesagt. So müssten Kriegsflüchtlinge so bald wie möglich in ihre Heimat zurückkehren. Aus dem Flüchtlingsstatus könne nicht automatisch ein dauerhafter Aufenthaltsstatus werden. Das sei „humanitäres Völkerrecht“ und gelte auch für hier geborene Kinder von Flüchtlingen. Die Serie Die bisherigen Beiträge der Serie „Parteienprofile“ sind erschienen am 11. September (AfD) und 12. September (Linke).

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