Frankenthal Das „Frankenthaler“ kommt aus Mannheim

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HINTERGRUND: Bier wird in der Frankenthaler Johann-Klein-Straße schon lange nicht mehr gebraut. Die Brauhaus GmbH, die dort aktiv war, lebt jedoch weiter – auf Etiketten von Produkten wie Germania Pils oder Perlenbacher Festbier, die aus Mannheim kommen. Rechtlich sei das zulässig, urteilt die Landes-Verbraucherzentrale. Aus Sicht des Verbraucherschutzes sei es unbefriedigend.

RHEINPFALZ-Leser Reinhold Meyer aus Frankenthal staunte nicht schlecht, als er kürzlich beim Urlaub am Bodensee eine frisch gekaufte Dose Perlenbacher Festbier genauer betrachtete. Auf der Verpackung steht: Frankenthaler Brauhaus GmbH, Johann-Klein-Straße 22-24, 67227 Frankenthal. „Das Brauhaus gibt es seit sehr langer Zeit nicht mehr“, weiß Meyer – und fragt sich, ob Getränke allein mit diesem Verweis vermarktet werden dürfen. Eigentümerin der Brauhaus GmbH ist die Eichbaum-Brauerei in Mannheim. Eichbaum hatte schon das Sagen bei der früheren Frankenthaler Brauhaus AG. Ende 1995, als der gesamte Braukonzern in einer wirtschaftlich schwierigen Lage war, musste der Frankenthaler Betrieb mit seinen zuletzt 42 Beschäftigten die Produktion einstellen. Die technische Ausrüstung wurde nach Ägypten verkauft. Die Eichbaum-Tochter Frankenthaler Brauhaus aber besteht, umfirmiert zur GmbH, weiter. Und „Frankenthaler“ Bierprodukte gibt es immer noch. Dass sie nicht aus der pfälzischen Stadt kommen – darüber erfahren Verbraucher auf der Verpackung kein Wort. Es sind die eher preisgünstigen Produkte, die über diese Schiene vertrieben werden: Germania Export, Germania Pils, Perlenbacher Festbier – letzteres über die Handelskette Lidl. Deutlich höhere Preise werden dagegen für original Eichbaum-Biere aufgerufen. Dass dazu auch „Premium“-Pils gehört, wirft ein Schlaglicht auf diese Marketing-Strategie. Der Biermarkt in Deutschland habe einen drastischen Wandel erlebt, sagt dazu ein Branchenkenner, der nicht namentlich genannt werden möchte. „Die Handelsketten werden immer mächtiger“, und sie lieferten sich Preiskämpfe. Wer diesen Vertriebskanal nutzen wolle, müsse daher preisgünstig und in hoher Menge liefern können. Es sei gängige Praxis, dass aus demselben Hause neben eher hochpreisigen Markenprodukten auch weitere zu niedrigeren Preisen kämen – denn so könnten die Anlagen besser ausgelastet werden. Berichterstattung darüber aber komme den Herstellern eher ungelegen, weiß der Experte. Denn Untersuchungen der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zeigten, dass der Markenname Schaden nehmen könne, wenn er „mit Produkten zu deutlich niedrigeren Preisen“ in Beziehung gebracht werde. Eichbaum in Mannheim gibt sich auf RHEINPFALZ-Anfrage eher zugeknöpft. Rechtlich sei es so, dass es sich bei der Bezeichnung Frankenthaler Brauhaus GmbH „nicht um eine Herkunftsbezeichnung handelt, sondern um den Namen des Lebensmittelunternehmers, unter dessen Firma das Bier vermarktet wird“, teilt Marketingchef Holger Vatter-Schönthal mit. Diese Praxis entspreche den Vorgaben der EU-Lebensmittelinformationsverordnung (LMIV). Die Angabe des Herstellungsorts sei bei Bier „nicht erforderlich“. Weitere Fragen zu Vertrieb und Marketing auf der Brauhaus-Schiene will das Unternehmen nicht beantworten. Begründung: Hier seien „betriebliche Interna tangiert“ und auch Belange „unserer Kunden, denen wir zur Verschwiegenheit verpflichtet sind“. Offener hatte sich das Unternehmen noch im Juli 2009 gezeigt. Damals bezifferte Eichbaum die jährlich hergestellte Menge des Germania-Biers, das erstmals 1984 in Frankenthal gebraut wurde, nun aber aus Mannheim komme, auf rund 160.000 Hektoliter. Vom Eichbaum-Markenbier wurden damals nach Aussage des Herstellers jährlich rund 300.000 Hektoliter gebraut. Nach Medienberichten sind die Mengen seitdem gestiegen. Susanne Umbach, Referentin für Lebensmittel und Ernährung bei der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in Mainz, bestätigt im Kern die rechtliche Einschätzung des Herstellers: Nach der EU-Lebensmittelinformationsverordnung sei es so, dass auf verpackten Lebensmitteln nur der Unternehmer angegeben werden müsse, „unter dessen Namen oder Firma das Lebensmittel vermarktet wird“. Das könne „beispielsweise der Produzent, Verarbeiter oder Verkäufer sein“. Klarere Vorgaben gebe es in der Verordnung nur für wenige Lebensmittel, etwa Eier oder Rindfleisch. Die Verbraucherzentrale findet diese auch für Bier geltende Regelung „nicht ausreichend, denn sie trägt nicht zur transparenten Kaufentscheidung bei“. Immer mehr Konsumenten wollten wissen, woher die Zutaten stammten und wo produziert werde, hält Referentin Susanne Umbach fest. Genau diese Angaben sollten nach Ansicht der Verbraucherschützer daher zur Pflicht gemacht werden. „Rückverfolgbarkeit“ ist für Verbraucher ein wesentliches Kaufkriterium. Das weisen Ergebnisse einer repräsentativen Befragung aus, die die Wirtschaftsberatungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers Anfang 2016 vorgelegt hat. Bei Bier sagen 54 Prozent, die genaue Angabe der Herkunft sei für sie „sehr wichtig“ oder „eher wichtig“. NOCH FRAGEN? Umfassende Informationen zum Thema bietet das vom Bundesverband der Verbraucherzentralen betriebene Portal www.lebensmittelklarkeit.de.

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