Rheinland-Pfalz Bitte festhalten!

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Am Wörtchen „heben“ hat man sich in der Pfalz schnell mal verhoben.

„Mir isch kalt. Ich brauch heit Nacht en Debbich im Bett.“ Äh, wie jetzt? Missverständnisse zwischen Dialektsprechern und Hochdeutschbabblern sind in der Pfalz keine Seltenheit, und die Decke, die mancherorts zum „Debbich“ wird, ist ein echter Klassiker. Für „Zugeräste“ nicht weniger problematisch ist allerdings auch der pfälzische Gebrauch des Verbs „heewe“, „hewwe“, „hebe“. Roland De Hooge aus Annweiler nutzt dieses Verwirrungspotenzial gerne aus. Die Aufforderung „Hebb des emool!“ (auch als „Heeb mol schnell!“ bekannt, wie Peter Hasenzahl aus Oggersheim schreibt), kontert der Leser mit der Frage „Wie hoch?“ Und er erzählt eine Geschichte, die sich in einem Haushaltswarenladen fernab der Pfalz zutragen könnte: Ein erboster Kunde aus der (Süd-)Pfalz knallt einen Selbstklebe-Wandhaken auf den Tresen mit den Worten: „Der hebbt nit!“ Darauf der Verkäufer: „Ich verkaufe ihnen gerne noch einen Flaschenzug dazu.“ Die Komik entsteht, weil Pfälzerinnen und Pfälzer „heewe“, „hewwe“ oder „hebe“ eben nicht nur im Sinne der hochdeutschen Wörter an- oder hochheben benutzen, sondern auch im Sinne von „halten“ oder „festhalten“ – ein Bedeutungswandel, der im Hochdeutschen undenkbar ist. „Heeb dich am Gelänner“, lautet der Ratschlag von Rosemarie Mattes aus Germersheim – „... dass de net fallscht“, wie Johanna Kripp aus Frankenthal hinzufügt. „Heb dich fescht, die Achterbahn uff’m Wortschtmarkt fahrt superschnell“, schreibt auch Gertraud Hanewald aus Flomersheim. Besonders in Malerkreisen ist der eigentümliche Pfälzer Gebrauch des „Hebens“ weit verbreitet, berichtet Reinhard Hartmann aus Kaiserslautern: „Ich hatte Malermeister als Kunden“, erzählt er, und immer wieder habe er zu hören bekommen: „Die Farb hebt net“ (besonders bei Grundierungen). „Jetzt hebt’s!“ wiederum kann ein freudiger Ausruf sein, wenn ein Pflaster nach dem x-ten Versuch endlich auf dem verletzten Daumen klebt, ohne zu verrutschen (eingeschickt von Inge Schornick aus Ludwigshafen). Ein wenig komplizierter wird es bei Bertram Steinbacher aus Lingenfeld: „Heeb dich emool an dem Disch!“ Im pfälzischen Wortsinne fordert der Sprecher den anderen nämlich nur dazu auf, sich am Tisch festzuhalten. Nahegelegt wird dadurch allerdings durchaus eine im hochdeutschen Sinne anhebende Tätigkeit. Denn der Satz geht noch weiter: „... dass mer’n grad hiestelle kinnen.“ Dasselbe Prinzip der implizierten Hebe-Anordnung, die mit pfälzischer und hochdeutscher Wortbedeutung spielt, findet sich in der Zuschrift von Klaus Kronibus aus Enkenbach-Alsenborn: „Hebb dich mol an moiner Reisedasch! Zu zwett traat se sich leichter.“ Da ist man dann doch froh, wenn in Sätzen wie „Geschdern hämmer widder (aaschdännich) äner g’hoowe“ von Ottilie Rieder aus Deidesheim das klassische hochdeutsche Verb „anheben“ (des Schoppen- oder Bierglases nämlich – sofern nicht der etwas profanere Flaschen-Zug zum Einsatz kam) perfekt mit der pfälzischen Idee von einer Leitkultur harmoniert. Diese wird dann nur noch ergänzt von der wunderbaren Formulierung „hinnerumheewe“, auf die Heidrun Völkel aus Haßloch hinweist und der wir im Jahr 2011 eine eigene Folge unserer Serie gewidmet haben (nachzulesen im Buch „Saach blooß 4“). Wäre da noch das Wort „lippe“ oder „libbe“, nach dem wir in der jüngsten Folge ebenfalls gefragt hatten. In Harthausen wird es laut Hermann Grundhöfer zu „luppe“ oder „lubbe“. „Lubb doin A... un trach de Millämer nunner!“, nennt der Leser als praktisches Anwendungsbeispiel. „Libb dich emool e bissje“ lautet eine Variante von Annemarie Peschke aus Zweibrücken, bei der es um denselben Körperteil geht – wenn auch mit deutlich dezenterem Unterton. Das Wort „libbe“ (von hochdeutsch „lupfen“) hat es deshalb in die heutige Folge geschafft, weil es ein Synomym für die hochdeutsche Version des „Hebens“ ist – also ein Wort mit ziemlich fast derselben Bedeutung: (leicht) anheben. Zur Eingangsthese über die Verwirrung, die das pfälzische Wort „heewe“, „hewwe“ oder „hebe“ im Alltag stiftet, hat Uta Müller aus Neustadt übrigens eine etwas andere Meinung als wir: „Ja, mit dem ,heewe’ hänn mir Pälzer eichentlich kää großes Problem, denn des Wort ,halte’ brauche mer blooß ganz selte. Höchschtens bei ,Halt doi Gosch!’“ Womit wir für heute den Rückzug antreten und die Frage für die nächste Folge präsentieren. Die soll der Formulierung „es Geriss han“ oder „(es) Geriss hawwe“ gewidmet sein. Wer kennt die Formulierung in welchen Variationen und in welchem Zusammenhang? Und wie könnte sie wohl entstanden sein? Schreiben Sie uns!

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