Kreis Germersheim A65 in Kandel schließt: Geschäftsführer Stefan Stöber nennt die Gründe

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Rasend schnell verbreitete sich am Dienstagabend die Nachricht von der bevorstehenden Schließung der Diskothek "A65" in Kandel. Am Wochenende nach Ostern wird dort die letzte Party gefeiert. Geschäftsführer Stefan Stöber erklärt die Gründe für die Schließung und erinnert sich an rauschende Feste.

„Wir haben nie mehr eine so extrem aufwendige Disko gebaut“, sagt Stöber, der Bau habe 3,5 Millionen Mark gekostet. Der Grund: Das Kandeler „A65“ war quasi ein Prototyp, das erste in einer ganzen Reihe von „A“-Diskotheken. Etwa zehn seien es gewesen, so Stöber. Aber so solide das „A65“ auch ausgestattet ist – jetzt wird es von einer Krankheit hinweggerafft, die laut Stöber seit drei Jahren europaweit grassiert: Das „Diskothekensterben“. 1998 hingegen,  als das „A65“ eröffnete, schien es, als wolle das in den 70er-Jahren ausgebrochene Disko-Fieber nie abkühlen. In Kandel jedenfalls war das „A65“ bereits die vierte Diskothek. Stöber rechnet zum „Akra“ und zum „Nightmare“ noch das Tanzangebot im Adamshof dazu.

Anbindung fehlt

Alle diese Diskotheken hatten eines gemeinsam: Sie waren gut mit dem Auto zu erreichen. Dieses Konzept dürfte dem „A65“ jetzt mit zum Verhängnis geworden sein. Es fehlt die Anbindung an den öffentlichen Nahverkehr, zum Bahnhof seien es vier bis fünf Kilometer, sagt Stöber. Dieser Aspekt sei wichtig geworden, weil immer mehr Jugendliche den Führerschein nicht schon gleich mit 18 oder auch gar nicht machen. Auf dem Land würde deshalb heute keiner mehr Diskos bauen. Die Gegenprobe liefert für Stöber das „A8“ in Saarbrücken. Das werde mit einem sehr ähnlichen Konzept betrieben und es laufe sehr gut. Der Unterschied zu Kandel: Eine Bushaltestelle vor der Tür und „unendlich viele Taxis“. Die Gäste wollen heute wissen, wie sie heimkommen. Vorbei seien die Zeiten, in denen sich ganze Kolonnen am frühen Sonntagmorgen auf den kilometerlangen Fußweg vom „A65“ zum Kandeler Bahnhof machten.

Freizeitverhalten verändert

Auch sonst habe sich das Freizeitverhalten der Menschen geändert: Vor allem bleiben die Menschen öfter zuhause. Das dürfte die Kehrseite des Erfolgs von Netflix und Amazon Prime sein: Irgendwann müssen die Serien ja auch angeschaut werden, von denen alle reden. Und  die Computerspiele-Branche boomt: Auch Zocken braucht Zeit. Zudem brauchen junge Menschen die Diskothek nicht mehr unbedingt als Ort, um mögliche Partner kennenzulernen, fürchtet Stöber und verweist auf die Dating-Portale. Und natürlich bekommen die Diskotheken auch die zunehmende Alterung der Gesellschaft zu spüren. Trotz all dieser Erklärungen ist Stöber aber auch ein Stück weit ratlos: „Wir fragen uns ja selbst: Wo sind die Leute, was machen sie?“ Selbst Landau sei nach 20 Uhr wie ausgestorben.

Zukunft liege in den Städten

Dennoch ist Stöber überzeugt: „Diskotheken wird es immer geben.“ Nach der Marktbereinigung der vergangenen Jahre sei ein Tiefpunkt erreicht. Die Zeiten, in denen jedes Dorf eine Disco hatte, seien zwar zu Ende, aber die Zukunft liege in den Städten. Deshalb gelte auch für das „A65“ nach den Partys am 21./22. April: „Es ist vorbei.“ Zwar wurden abends immer noch 500 bis 600 Gäste gezählt, aber ausgelegt ist die Diskothek auf knapp 3000 Besucher. Entsprechend hoch sind die Fix- und Personalkosten. Was mit dem Gebäude passieren wird, weiß Stöber noch nicht.  Es wird ein Käufer gesucht.

Noch einmal feiern

Zunächst freut sich Stöber aber noch mal auf ein volles Haus, eine letztes Aufleuchten der „grandiosen Zeiten“, als das „A65“ sogar Menschen über Mannheim hinaus und aus der Westpfalz anzog. Die Resonanz auf Facebook sei jedenfalls überwältigend, so Stöber: Alle wollen noch mal mitfeiern. Das letzte Wort aber haben die Kleinen: Bei der Kinderdisko am Sonntag, 23. April, ab 14 Uhr: Zum letzten Mal mit dem roten Pferd.

Große Resonanz auf Facebook

Die Schließung des „A 65“ beschäftigt viele Menschen. Über 600 RHEINPFALZ-Leser kommentierten die erste Nachricht auf Facebook. Neben wehmütigen Erinnerungen gibt es auch kritische Anmerkungen: „Vor 6, 7 Jahren hätte man sich gewünscht, es wäre ein klein bissl weniger los, als man kaum von A nach B kam. Das erste Mal feiern ... des war was .“ „Das Konzept war einfach nicht mehr zeitgemäß was an der Größe lag getreu dem Motto ,Masse statt Klasse’. Was da an Publikum rumlief, ging gar nicht und dazu die billigen Spirituosen.“ „Jetzt gibt's gar nichts mehr. Landau so tot da klappen die um 19 Uhr die Bordsteine hoch. Traurig. Da bleibt nur Karlsruhe oder Mannheim.“ „Oh je, dann werden die ,Discotheken’ in Landau ja noch mehr überrannt.“ „Krass wie oft wir in jungen Jahren dort waren ... Wir werden alt!“ „Jetzt ist es offiziell, wir werden alt ... Unser früheres Wohnzimmer schließt.“ „Unser altes zu Hause von Donnerstag bis Sonntag früh schließt. Unfassbar.“ „Schade. Alles was laut Musik macht, macht dicht. Eine Kultur stirbt.“ „Kann mich noch gut an die Eröffnung erinnern. Sehr, sehr voll wars. Schade drum. Aber irgendwann war es auch klar, dass es kommen wird.“ „Müsste man eigentlich noch mal hin, war immer recht lustig.“ „Irgendwie schade, so oft wie wir da früher waren.“ „Unser ehemaliges Zuhause schließt.“ „War ne schöne Zeit wobei ich schon lange nicht mehr im A 65 war.“ „ Jungs und Mädels, es gibt schlimmeres ...“ „Gott sei Dank, ist voll der angewranzte Schuppen geworden.“ „Ich fand die Schlagerscheune da immer toll. Schade drum.“ „Mein erster Discobesuch dort. Schade drum.“

"A65"-Erinnerungen gesucht

Partner kennengelernt? Beste Freundin gefunden? Hammer-Abend erlebt? Lieblingsgetränk, Lieblingsplatz, Lieblingshit, Lieblingsmove auf der Tanzfläche?  Was war die längste, die schönste, die nasseste, die lustigste Party? Erzählt uns, warum das „A65“ Euer zweites Wohnzimmer war und wie oft Ihr Eure Eltern  malträtiert habt, um hingebracht und abgeholt zu werden. Schicken könnt Ihr uns Eure Erinnerungen via Facebook oder an onlineredaktion@rheinpfalz.de.
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